„Zug der Fische“ von Yaroslava Black und Ulrike Jänichen

"Zug der Fische" von Yaroslava Black und Ulrike Jänichen
„Zug der Fische“

Der Fluss fließt durch das ganze Dorf. Es ist Marikas Dorf. Marikas Fluss. Doch heute erkennt sie ihn nicht wieder. Was sind das für seltsame, leuchtend blaue Fische?

Marika lebt bei ihrer Großmutter in den Karpaten. Im Sommer sammelt sie Blaubeeren. Die sie dann in der Stadt verkauft. Verkauft sie zwei Kilo Blaubeeren, kann sie sich Buntstifte kaufen. Verkauft sie fünf Kilo? Harry Potter! Der ist auch ohne Eltern aufgewachsen. So wie sie.

Denn ihre Mama arbeitet weit fort. Sie schickt Marika Briefe. Zwei pro Jahr. Sechs Briefe hat Marika schon. Außerdem schickt Mama noch Geld. Geld, so leuchtend blau wie die Fische, die heute so zahlreich im Fluss schwimmen.

Zu Herzen gehend

„Zug der Fische“ erzählt eine zu Herzen gehende Geschichte. Eine traurige Geschichte. Eine allzu realistische Geschichte. In dem bereichernden Nachwort beleuchtet Osteuropa-Experte Keno Verseck die Hintergründe des Buches. Das Schicksal der sogenannten „Eurowaisen“. Also von Kindern, deren Eltern im wohlhabenderen Ausland arbeiten. Weil es in der Heimat keine Arbeit gibt. Oder das Geld nichts wert ist. Der Journalist fasst das Dilemma der zurückgelassenen Kinder besser zusammen, als ich es könnte:

„Die große Sehnsucht nach den Eltern begleitet sie ständig, sie ist eines ihrer Grundgefühle im Alltag. Gleichzeitig sollen sie ihren Eltern für deren Abwesenheit dankbar sein oder fühlen sich jedenfalls dazu verpflichtet. Denn immerhin arbeiten die Eltern ja auch oder sogar vor allem deshalb im Ausland, weil sie für das materielle Wohl ihrer Kinder sorgen und deren Zukunft sichern wollen.“

„Komm zurück!“

Ich kann die Geschichte nicht lesen ohne feuchte Augen zu bekommen. Wenn wir Marika zu Western Union und beim Blaubeerpflücken begleiten, zerreißt es mein Herz. Wir begleiten sie bei der Busfahrt zum Markt; lesen von ihren Wünschen und den Briefen ihrer Mutter; erfahren von ihrem Leben im kleinen, schindelgedeckten Haus mit der Schlafstelle auf dem lehmverputzten Ofen. Spazieren mit ihr am Fluss entlang. Wo wir andere Kinder treffen. Denen es so geht wie ihr. Die auch ihre Eltern vermissen. Die alle denselben Weihnachtswunsch hegen: „Komm zurück!“

Verspielt naiv und plastisch-realistisch

Illustratorin Ulrike Jänichen malt in schlau gesetzten Buntstiftstrichen eine beklemmende Kinderrealität. Der grobe Buntstift schafft es sowohl verspielt naiv zu wirken als auch plastisch-realistisch.

Mein Liebster (der künstlerisch weit empathischer und gebildeter ist als ich) war ganz aus dem Häuschen. „Siehst Du die Dächer, die sie nicht gemalt hat? Wie sie mit dem negativen Raum umgeht?“ Selten verzückten ihn Kinderbuchbilder so sehr. Den Fluss liebt er besonders: „Es sieht nur nach einfachen, groben Strichen aus. Und dann ergibt es doch eine schimmernde, wabernde Oberfläche.“

Wenn die Jury des Hamburger Bilderbuchpreis nur annährend so begeistert war, ist klar warum Jänichen für diese Illustrationen den Preis erhielt.

„Zug der Fische“ von Yaroslava Black und Ulrike Jänichen weiterlesen

„Schokuspokus 3: Das Jaguar Geheimnis“ von Maja von Vogel und Franziska Harvey

„Schokuspokus 3: Das Jaguar Geheimnis“ von Maja von Vogel und Franziska Harvey
„Schokuspokus 3″

Amanda, Oskar, Jantje, Fiete, Lina, Kalle und Klarissa leben im Waisenhaus der fiesen Agathe Nieswurz. Doch es ist kein normales Waisenhaus. Es ist eine Schokoladenfabrik! Dr. Nieswurz zwingt die Waisen, ihre berühmte Schokuspokus-Schokolade herzustellen. Dabei ist probieren strengstens verboten.

Nachdem die Kinder den verschollenen Maya-Becher mit Glückskakaobohne gefunden und die Goldene Glücksvanille erhalten haben, suchen sie nun die restlichen fünf Zutaten für den sagenumwobenen Glückskakao. Für den kleinen Fiete ist klar: Als nächstes brauchen sie das Jaguar-Schnurrhaar.

Wie günstig, dass Direktorin Nieswurz die Kinder in den Zoo schickt. Natürlich nicht, um Tiere zu bewundern. Sondern um Schokolade zu verkaufen. Aber den Waisen gelingt es, den Zoo zu erkunden. Wobei sie auch die niedlichen Jaguar-Babys entdecken. Doch wie sollen sie nur an ein Schnurrhaar gelangen? Mit Phantasie und einer guten Idee gelingt es der Bande.

Für geübte Leseanfänger

„Schokuspokus 3: Das Jaguar Geheimnis“ von Maja von Vogel und Franziska Harvey
Schokuspokus 3

Wie schon Band eins („Der geheime Kakaoklau“) und Band zwei („Wahnsinnig vanillig“) konnte Band drei den siebenjährigen Chef überzeugen. In diesem Band lernen wir die stille Lina besser kennen. Das immer traurig wirkende Mädchen enthüllt, dass sie ein sehr außergewöhnliches Lieblingstier hat: das Axolotl. Wie die Kinder ihre Freundin unterstützen und Axolotl-Dame Axa ins Waisenhaus einzieht, hat dem Großen sehr imponiert. Und auch ich war sehr gerührt.

„Schokuspokus 3: Das Jaguar Geheimnis“ von Maja von Vogel und Franziska Harvey weiterlesen

„Die Umweltkonferenz der Tiere“ von Anita van Saan und Dorothea Tust

„Die Umweltkonferenz der Tiere“ von Anita van Saan und Dorothea Tust

„Es war an einem Tag im Lenz,
da trafen sich zur Konferenz,
…[viele, viele Tiere]…

Man kam, um sich zu informieren,
zu demonstrieren, diskutieren.
Wie ohne Streit und ohne Zwist
der Natur zu helfen ist.“

Der Natur geht’s nämlich gar nicht gut. Das berichten nacheinander Biene, Biber, Fledermaus und Gorilla; Panda, Tiger und Kamel; Maus, Eisbär, Wal und Clownfisch. Alle berichten sie von katastrophalen Entwicklungen auf Feldern, in Wäldern, in Wüste und Meer, im Dschungel und der Antarktis.

Und klar ist: Der Mensch ist die Wurzel allen Übels. So sagt die Biene „ich versteh dich! Oft sind Menschen unausstehlich. Doch kleine Kinder meistens nicht sie haben eine andre Sicht.“

Und genau diese Kinder erfahren in dem Sachbilderbuch „Die Umweltkonferenz der Tiere“ ganz viele Hintergründe über die Probleme, die wir Menschen unserer Umwelt bereiten. In rhythmischen Reimen stellt jeweils ein Tier sein Problem vor.

„1, 2, 3, 4, Gift im Wasser hassen wir!“

Die Biene erzählt von Gift auf den Feldern. Der Biber von Flussbegradigungen. Der Abendsegler vom Baumsterben. Gorilla und Panda beklagen das Schrumpfen ihrer Lebensräume. Darunter leidet auch der Tiger. Außerdem begehrt der Mensch sein Fell. Dem Kamel geht’s noch ganz gut. „Doch andre Tiere haben’s schwer, denn Wüste gibt es immer mehr.“ Auch die Mäuse beklagen den Treibhauseffekt. Dem Eisbären erzählt sie damit nichts Neues. Ihm bereiten auch noch Schmutz und Bohrungen Sorgen. Dem Wal liegt Plastik schwer im Magen, der Clownsfisch sorgt sich ums Korallensterben.

„Die Umweltkonferenz der Tiere“ von Anita van Saan und Dorothea Tust

Knackige Sachtexte mit kompakten Hintergrundinfos ergänzen die Protestverse der Tiere. Anita van Saans Reime sind fluffig, lustig, einnehmend. In den lexikalen Begleittexten vermittelt die Biologin kurz und sehr verständlich das Warum. Warum haben es Gorilla, Tiger und Panda so schwer? Weshalb finden die Bienen keine Blüten mehr? Wieso fehlt dem Eisbär Lebensraum?

„Schlechte Luft und harte Zeiten, wir müssen für das Klima streiten“

Die Kombination von unterhaltsamen Reimen und informativem Sachtext finde ich sehr gelungen. Wenn der Vizechef (3) mir das Buch bringt, lese ich ihm meist nur die Reime vor. Dagegen interessiert sich der Chef (7) mehr für die Hintergründe. Beide mögen das Buch sehr.

„Die Umweltkonferenz der Tiere“ von Anita van Saan und Dorothea Tust weiterlesen

„Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“

„Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“ von Marc-Uwe Kling und Astrid Henn

Mit „Der Tag, an dem Oma das Internet kaputt gemacht hat“ gelang Känguru-Schöpfer Marc-Uwe Kling ein brillantes, knackiges, anarchisch-ironisches Kinderbuch über unser digitalisiertes Familienleben. „Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“ schließt an die Geschichte an. Diesmal stellt sich Opa schusselig an.

„Es waren Sommerferien. Deshalb waren wieder Oma und Opa da. Zum Aufpassen. Und inzwischen war […] klar, wer hier auf wen aufpassen musste“

Persönliche Schussel-Momente

Opa will der Oma Tee machen. Tja, und da stellt er den schicken neuen Retro-Wasserkocher eben auf den Herd. Der sieht nun mal genauso aus, wie die Wasserkessel aus Opas Kindheit. Doch leider ist es ein moderner Elektrokocher. Dessen Plastik schmilzt, wenn man ihn auf den Herd stellt. Und das qualmt dann. Und stinkt.

So flüchten Kinder und Großeltern in den Garten. Stellen sich den Eltern. Erzählen vom Missgeschick. Nach und nach fällt jedem ein persönlicher Schussel-Moment ein. Zum Beispiel Mama. Die packte den Wasserkocher mal in die Spülmaschine. Papa kochte mal Milch in ihm. Dafür eignet der sich nicht. Für Würstchen übrigens auch nicht!

Während das Haus lüftet verbringt die Familie einen wunderbaren Tag im Garten. Alle zusammen genießen sie die geschenkte Zeit an der frischen Luft. Bis in die Nacht hinein.

Streichelt meine vergessliche Mama-Seele

„Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“ von Marc-Uwe Kling und Astrid Henn
Rückenansicht

„Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“ ist ein gelungener zweiter Band. Kling schafft es Verständnis für vergesslich werdende Großeltern zu wecken. Und für unser aller Alltagsachtlosigkeiten. Das streichelt vergessliche Mama-Seelen. Und es beruhigt ein wenig. Vielleicht auch Großeltern, die das Buch vorlesen. Denn: Auch junge Menschen sind vergesslich. Nicht jede Unbesonnenheit muss ein Zeichen von Demenz sein. Denn auch wenn Opa immer wieder mal etwas verdaddelt, den anderen geht es ähnlich.

„Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“ weiterlesen

„Jetzt bestimme ich, ich, ich!“ von Juli Zeh und Dunja Schnabel

"Jetzt bestimme ich, ich, ich!" von Juli Zeh und Dunja Schnabel

Anki beschließt an ihrem siebten Geburtstag, dass sie jetzt groß ist. Denn groß sein bedeutet, selbst bestimmen zu können. Tja, wenn Anki bestimmen darf, will ihr kleiner Bruder das auch. Doch Mama und Papa wollen weiterhin sagen, wo es lang geht.

So herrscht bei Familie Wiefel nur noch Streit. Das Vertragen kommt zu kurz. Genauso wie das Abendessen. Zu mehr als Käsebroten fehlt der Familie einfach die Zeit und die Kraft. So kann es nicht weiter gehen.

Also probieren sie verschiedenste Szenarien durch – vom Bestimmer-Karussell über eine „Jeder-bekommt-was-er-will“-Phase bis zur Wahl einer Regierung. Irgendeinen Haken gibt es bei jedem System. Egal ob einfach die Zeit fehlt alle Wünsche zu erfüllen oder man trotz nächtelanger Diskussion keinen gemeinsamen Nenner findet. Am Ende einigen sich die Wiefels auf eine demokratisch gewählte Regierung auf Zeit. Damit machen sie eigentlich ein ganz gutes Geschäft.

Sind wir nicht alle ein bisschen Wiefel?

"Jetzt bestimme ich, ich, ich!" von Juli Zeh und Dunja Schnabel
Rückenansicht

Wir fühlten uns erwischt. Allesamt. Der Chef (7) der Viezechef (3) und ich. Manchmal sieht es bei uns nämlich sehr ähnlich aus wie bei den Wiefels. Bestimmen wollen wir alle gern. Juristin und Bestseller-Autorin Juli Zeh beschreibt in „Jetzt bestimme ich, ich, ich!“ also ganz typisches Familienleben. Mit Augenzwinkern und vielen Käsebroten. Nebenbei vermittelt sie unbeschwert und kindgerecht verschiedene Regierungsansätze und Möglichkeiten des Miteinanders.

Schlau und mit ganz viel Humor zeigt „Jetzt bestimme ich, ich, ich!“ die Tücken von Zusammenleben und Meinungsbildung. Besonders die Folgen der Auslosung von Aufgaben und das Ergebnis der territorialen Herrschaft Einzelner amüsierte meine Kinder sehr. Wer hätte gedacht, dass Politik so viel Spaß machen kann!?

Kinderlebensnah und lustig

"Jetzt bestimme ich, ich, ich!" von Juli Zeh und Dunja Schnabel

Das liegt auch an den lustigen, Kinderlebensnahen, Comic-haften Illustrationen von Dunja Schnabel. Sie fangen die Stimmung der Wiefels ganz wundervoll ein; nehmen die Pointen des Textes großartig auf. Der Dreijährige bleibt wegen dieser Bilder von vorne bis hinten am Ball. Kommentiert die Geschichte, deutet hierhin und dorthin. Klar, er versteht den Hintergrund noch nicht wirklich. Doch wenn Schildkröte Rainer-Maria plötzlich bestimmen darf, versteht auch er, dass da irgendwas schief läuft.

„Jetzt bestimme ich, ich, ich!“ von Juli Zeh und Dunja Schnabel weiterlesen

„Anton das Bison“ von Lou Beauchesne und Kate Chappell

„Anton das Bison“ von Lou Beauchesne und Kate Chappell
„Anton das Bison“

Anton ist ein Bison. Ein Bison, das in einem Buch lebt. Und dieses Buch gehört einem kleinen Jungen namens Louis. Anton und Louis sind unzertrennlich. Das Buch begleitet den Jungen überall hin. Bis Louis einem Dinosaurier begegnet. Plötzlich hat er nur noch Augen für die Urzeit Tiere.

So landet Antons Buch im Stapel mit den Büchereibüchern. Und es kommt, wie es kommen muss: „Anton das Bison“ landet mit den ausgeliehenen Büchern in der Rückgabebox der Bücherei. Als wäre das nicht schon genug, findet sich das Bison nun außerhalb seines Buches wieder. Wie furchteinflößend. Wie aufregend!

Bald schließt Anton Freundschaft mit Bibliothekarin Nicole. Doch auch sie kann ihm nicht helfen nach Hause zu kommen. So sitzt Anton in der Bücherei und vermisst seinen Louis. Eine lange, lange Zeit.

Hommage an die Liebe zu Büchern und die Freundschaft

„Anton das Bison“ von Lou Beauchesne und Kate Chappell
„Anton das Bison“

Lou Beauchesne‘ Kinderbuch „Anton das Bison“ ist eine Hommage an die Liebe zu Büchern, an die Freundschaft und die Hoffnung. Bison Anton ist ein ehrlicher, treuer Held. Seine Sehnsucht geht zu Herzen. Genauso wie das Ende des Buches. Denn beste Freunde, die kann auch die Zeit nicht entzweien.

Neben den kindlich anmutenden Illustrationen von Kate Chappell fällt besonders die detailverliebte, hochwertige Gestaltung des Buches auf. Das Vintage-Cover in Leinen-Optik und Leinen-Haptik wirkt authentisch retro. Schließlich gehörte das Buch schon Louis Vater und Großvater. Die sich auf der ersten Seite des Buches im Feld „Dieses Buch gehört“ natürlich auch verewigt haben. Das Highlight für Chef (7) und Vizechef (3) ist aber das Lesebändchen.

„Anton das Bison“ von Lou Beauchesne und Kate Chappell weiterlesen

„Mina entdeckt eine neue Welt“: Die Farbe der Sprache

„Mina entdeckt eine neue Welt“ von Sandra Niebuhr-Siebert und Lars Baus

Lust hat Mina keine. Aber Mama möchte es gerne. Und Mina hat Mama lieb. Also geht sie morgen das erste Mal in den Kindergarten. Dort fühlt sich alles farblos an. Immerhin wird sie von einer Frau mit warmen, freundlichen Augen begrüßt. Doch was die Frau sagt, das versteht Mina nicht. Deswegen schweigt sie lieber. „Wer schweigt, kann nichts Falsches sagen.“

Nach und nach versteht Mina mehr und mehr. Sie testet all die neuen Worte. Spielt mit ihnen. Je mehr sie versteht, desto bunter wird ihre neue Welt. Desto wohler fühlt sie sich in ihr. Bis sie schließlich ganz angekommen ist. Jedes Teil seine Farbe, seinen Namen hat. Bis sie sich in der neuen Sprache genauso zu Hause fühlt, wie in ihrer Muttersprache.

Blick in Kinderköpfe

Wie fühlt es sich an, ganz neu anzufangen? Ohne jemanden zu kennen? Ohne die Sprache zu verstehen? Einfach ins kalte Wasser geschmissen zu werden? Sprachpädagogin Sandra Niebuhr-Siebert (Jurymitglied beim Leipziger Lesekompass und beim KIMI-Siegel) erzählt uns in ihrem Bilderbuch „Mina entdeckt eine neue Welt“ sehr anschaulich, was in Kinderköpfen dabei vorgeht. Damit weckt sie Verständnis für die Neuen in KiTa.

Die Geschichte ist zeitlos und trifft einen immer aktuellen Nerv. Es geht um Unsicherheit, ums Ankommen, um Integration. Die unglaublich schönen Bilder von Lars Baus erwecken das Erzählte zum Leben. Der Illustrator fängt Minas Gefühle berührend ein, veranschaulicht ihre Verlegenheit und Ängste, ihre Tapferkeit und Freude.

Beginnt Minas KiTa-Welt schwarz-weiß, kommt mit jedem Wort, dass sie versteht mehr Farbe in ihr Leben. Bis alles so farbenfroh ist wie es bei ihrer Familie immer schon war. Dabei erhalten wir Einblick in Minas Alltag und ihre Träume. Denn im Schlaf verarbeitet die Kleine die Abenteuer des Tages. Die Darstellung der Sprache und des gesprochenen Wortes finde ich sehr gelungen. Sehr verständlich.

Bilder sagen mehr als tausend Worte

Überhaupt, das Buch funktioniert ganz wunderbar ohne den begleitenden Text. Die Bildsprache sagt mehr als tausend Worte. Damit eignet sich „Mina entdeckt die Welt“ wirklich perfekt für die Zielgruppe: Sprachneulinge jeden Alters – in Kindergarten, Schule und auf der Arbeit. Denn so wie es Mina in der KiTa geht, so geht es wohl jedem, dem die Worte fehlen.

„Mina entdeckt eine neue Welt“: Die Farbe der Sprache weiterlesen

„Monsterpost“ von Emma Yarlett: Schmausig, witzig, frech

"Monsterpost" von Emma Yarlett
„Monsterpost“

Schmaus sieht oberlecker aus. Viel zu lecker, um ihn allein zu verspeisen. Deswegen lädt Monster seine Freunde ein. Natürlich ganz klassisch – per Brief. Nach und nach trudeln die Zusagen ein. Erst von Graf Vielfrass, der es gerne saftig und fett mag. Dann kommt Madame Gargoyles Antwort. Die Gute mag es salzig. Für Riese Rambo muss es schleimig sein. Und Fussel-Fee isst nur Eiskaltes.

Monster bemüht sich wirklich redlich, die Sonderwünsche seiner Gäste zu erfüllen. Dabei versteht es Schmaus vorzüglich seine missliche Lage ins Gegenteil zu kehren. Bis Monster schließlich sagt: „Du siehst gar nicht mehr aus wie ein Schmaus.“ Naja… „Und du siehst gar nicht mehr aus wie ein Monster…“, findet der kleine Junge. Doch morgen kommen die Gäste! Was soll man da nur machen?

Ecklige Pampe? Nein danke!

"Monsterpost" von Emma Yarlett
„Monsterpost“

„Monsterpost“ ist schräg und witzig und frech. Von der ersten bis zur letzten Seite macht es einfach nur Spaß. Wie Klein-Schmaus das pinke Monster höflich um den Finger wickelt, ist zum Niederknien.

Ecklige Pampe? Nein danke! Schokokuchen ist viel netter und man wird davon viel fetter. Salzig soll’s sein? Ein Bad im Meer wird’s richten! Auch für Schleim und Eis fallen dem pfiffigen Knirps erfreuliche Lösungen ein.

„Monsterpost“ von Emma Yarlett: Schmausig, witzig, frech weiterlesen

Zauber-Malbücher von Anja Dreier-Brücker und Christine Thau

Zauber-Malbücher aus dem Moses Verlag
Zauber-Malbücher

Zaubertafeln stehen bei meinen Jungs hoch im Kurs. Gerade unterwegs beschäftigen sie Chef (7) und Vizechef (3) einfach und effektiv. So kamen auch die Zauber-Malbücher des Moses Verlags bei den beiden gut an. Diese Heftchen verbinden die begehrte Zaubertafel mit kleinen Geschichten und putzigen Illustrationen.

In „Manege frei, Milla!“ präsentiert uns Zirkusdirektorin Milla tierische Artisten. Indem die Kinder die angeschnittenen Bilder auf der Zaubertafel vervollständigen, helfen sie bei den Kunststücken. Sind Teil der Show.

In „Fee Klitzeklein macht Wünsche wahr“ erfüllt eben jene Fee die Wünsche ihrer Freunde. Dabei braucht sie aber Hilfe. So verwandeln die Kinder mit der Fee zusammen das Pony in ein Einhorn. Oder schenken der Schildkröte einen prächtige Lockenmähne.

Tolle Idee

Die Idee fanden wir alle ganz toll. Die Bildwelten und knuffigen Tiere gefielen uns sehr. Doch die Geschichten konnten uns nicht so recht packten. Es fehlte das gewisse Etwas. Genau können wir es gar nicht sagen.

Dennoch beschäftigen sich die Jungs gerne mit den Heften. Bei diversen Autofahrten und im Zug kamen sie schon zum Einsatz. Die Jungs ergänzen die Bilder wild und frei. Oder nutzen die Tafel einfach so. Der Große für Schreibübungen oder Schatzkarten. Der Kleine für Wolkenzauber und Regenbögen.

Als Mitbringsel oder als Überraschungsgeschenk vor längeren Fahrten finde ich die Zauber-Malbücher sehr gelungen. Auch beim Warten auf den Arzttermin oder den neuen Ausweis kommt die Beschäftigung sehr gelegen.

Zauber-Malbücher von Anja Dreier-Brücker und Christine Thau weiterlesen

Gary Paulsen: „Harris und ich. Von Mörderschweinen, der Kuh Vivian, Ernie dem Hahn und …und … und“

"Harris und ich - Von Mörderschweinen, der Kuh Vivian, Ernie dem Hahn und ...und ... und" von Gary Paulsen

„Es sind Sommerferien, aber auf der Farm der Larsons gibt es keinen Urlaub. Hier muss jeder mit anpacken, und das merkt auch der Junge aus der Stadt. Das eindeutig Beste an der Farm ist für ihn Harris, sein Cousin. Der ist ein echter Chaot und hat nur Blödsinn im Kopf. Die Jungs reiten auf Riesenschweinen, kämpfen gegen Ernie, den verrückten Hahn, und düsen mit ihrem frisierten Fahrrad über den Hof. Es wird der schönste Sommer überhaupt…“

Als ich diesen Klappentext las war klar: „Harris und ich“ soll uns in die Ferien begleiten. Ich erwartete eine frische, idyllische Sommerlektüre für Kids. Doch das war nicht annährend das, was uns erwartete.

Tatsächlich war ich nah dran, die Lektüre nach dem ersten Kapitel abzubrechen. Schnell merkte ich, dass mein (fast) siebenjähriger Chef eigentlich noch zu „unschuldig“ für Harris und seine Welt war. Schon nach den ersten Seiten wurde mir klar: Diese Welt ist eine andere als unsere. Eine härtere. Eine, die zeitlich und gesellschaftlich weit weg von unserer flauschigen Stadtfamilienwelt des 21. Jahrhundert liegt.

Wild und unbeaufsichtigt

"Harris und ich - Von Mörderschweinen, der Kuh Vivian, Ernie dem Hahn und ...und ... und" von Gary Paulsen

Denn der neunjährige Harris lebt auf einer Farm der 1950er-Jahre. Er flucht wie ein Kesselflicker und kassiert dafür ordentliche Backpfeifen von Mutter und Schwester oder gar eine Tracht Prügel. Er führt ein wildes, unbeaufsichtigt Leben in und um den altertümlichen Hof im Nirgendwo der amerikanischen Einöde. Harris ist ein Raufbold, Tunichtgut, Lausebengel.

Der unwesentlich ältere Erzähler besucht Harris während seiner Ferien. Die verbringt er immer bei anderen Verwandten, denn seine Eltern sind Säufer. Können sich nicht um ihn kümmern. Mit seinem Vater (Soldat) war er auf den Philippinen. Dort erhielt er seine „smusigen Bildchen“, die er hütet wie einen Schatz. Der Junge kam schon viel rum. Doch so frei und unbekümmert wie bei Harris lebte er nie.

Kriegsspiele und Elektrizität

Zusammen stellen die beiden Jungen allerhand Unsinn an. Dabei zeigt Harris seinem Gast nicht nur wie man Frösche aufbläst, um zu verhindern, dass sie tauchen. Sie spielen Krieg, wobei die Farm-Schweine als Kommie-Japse herhalten müssen. Gehen mit Hof-Luchs Fetzer auf Mäusejagd. Versuchen sich als „Tarzan der Affenmensch“ auf den Heuboden zu schwingen. Bringen sich beim Cowboy-Spiel in Gefahr, rauchen und entdecken die Kraft der Leitfähigkeit von Urin. Ich sag nur: Elektischer Zaun.

Anachronistisch anmutend

„Harris und ich“ ist alles andere als politisch korrekt. Es ist unverschämt, es ist laut und es ist teilweise durchaus geschmacklos. Aber es macht auch unglaublich Laune. Eigentlich wollte ich nach dem aufgeblasenen Frosch abbrechen und das Buch zumindest noch ein paar Jahre in den Giftschrank packen wollte. Doch mein Mann nahm Partei für das anachronistisch anmutende Werk ein. Also las er es dem Filius vor. Und sie hatten großen Spaß.

Gary Paulsen: „Harris und ich. Von Mörderschweinen, der Kuh Vivian, Ernie dem Hahn und …und … und“ weiterlesen