„Kalmann“ von Joachim B. Schmidt

„Kalmann“ von Joachim B. Schmidt

„Jemand sagte mir mal, dass jeder eine Bestimmung im Leben habe. Niemand sei zufällig hier. Nichts passiere zufällig. Alles habe einen Grund, eine Bedeutung, einen Sinn. Und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass alles seine Richtigkeit hatte.“ (Seite 293)

Kalmann lebt im kleinen Ort Raufarhöfn. Ganz oben im Nordosten Islands. Früher war hier viel los. Der Hafen einer der wichtigsten Exporthäfen für Hering in ganz Island. Doch schnell waren die Gründe leergefischt. Es gab keinen Hering mehr. Fangqouten regeln heute, wer die spärlichen Reste aus dem Meer holen darf. In Raufarhöfn leben keine 200 Seelen mehr. Kalmann ist einer von ihnen. Kalmann ist ihr Sheriff.

Hat seinen eigenen Rhythmus

„Kalmann“ von Joachim B. Schmidt

Mit Sheriff-Hut und Stern, mit Pistole und dem Selbstverständnis und der Weisheit der Einfältigen hütet Kalmann seine Heimat. Die Ausrüstung bekam er von seinem amerikanischen Vater. Der ansonsten keine Rolle im Leben des Mittdreißigers spielt. Doch kein Grund zur Sorge. Dafür war sein Opa da. Der den besten Gammelhai Islands machte. Nun lebt der alte Mann im Pflegeheim und fehlt. Fehlt seinem Enkel, der nun allein im kleinen Haus lebt und auf Haifischfang und Fuchsjagd geht. Fehlt im Alltag und bei den besonderen Ereignissen, von denen Kalmann berichtet.

Und er berichtet von wirklich außergewöhnlichen Ereignissen. Von blutgetränktem Schnee, verschwundenen Unsympathen, der Herstellung von Gammelhai, seinem Wunsch eine Frau zu haben, der Fuchsjagd, von Drogenfunden, Suchaktionen, Polizeieinsätzen… In Kalmanns Kopf läuft nicht immer alles gerade. So erzählt er uns seine Geschichte auch nicht unbedingt gradlinig. Kalmann hat seinen eigenen Rhythmus, sein eigenes Tempo. Genauso wie das Buch.

Genau richtig

Die Gemächlichkeit der Erzählung und die Einfachheit des Protagonisten forderte mir Einiges ab. Im Alltag geht hier alles flott und Holterdiepolter. Mich auf Joachim B. Schmidts Entdeckung der Langsamkeit einzulassen, fiel mir nicht leicht. Doch ich bereue es nicht. „Kalmann“ ist genau richtig. Buch und Charakter. Doch das zeigte sich mir erst auf den letzten Seiten.

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„Mord in Sunset Hall“ von Leonie Swann

"Mord in Sunset Hall" von Mord in Leonie Swann
„Mord in Sunset Hall“

In ihrer Kindheit hieß ihr Haus noch Morning Cottage. Doch nachdem Agnes eine Senioren-WG gründete, übermalte ein Scherzbold das Namensschild mit dem klangvollen Titel: „Sunset Hall“. Und den mehr oder weniger rüstigen Rentnern gefiel der neue Name.

Ihr Sinn für Humor ist nicht das Einzige, was die betagten Bewohner von Sunset Hall auszeichnet. Auch wenn Agnes von ihrer Hüfte gequält wird, der Marschall immer öfter etwas vergisst und Edwina eh in ihrer ganz eigenen Welt lebt – die alten Herrschaften haben einiges auf dem Kasten. Die Cremehütchen verschlingende, blinde Bernadette, der würdevoll im Rollstuhl sitzende Winston, Neuzugang Charlie (die Brexit und frischen Wind ins Haus bringt) und – last but not least – Schildkröte Hetti, komplettieren die Rentner-Gang.

Die Bewohner von Sunset Hall sind füreinander da. Kümmern sich. Immer! Selbst wenn es darum geht, einen Mord aufzuklären. Oder auch zwei oder drei. Denn plötzlich wimmelt es in der Nachbarschaft nur so von toten alten Damen. Und der Mörder versteckt sich irgendwo in der britischen Dorfidylle. Wenn es neben der Mörderjagd nicht auch noch so viele eigene Geheimnisse zu hüten gäbe…

Fluffig-unterhaltsam präsentierte Abgründe

"Mord in Sunset Hall" von Leonie Swann

Hach, ich liebe Leonie Swanns Wohlfühlkrimis einfach. Als Schaf-Fan war ihr Debut „Glennkill“ für mich ein Muss. Und Genuss! Den irren Ziegen in „Garou“ verfiel ich noch mehr. Und ihr fantastisches Abenteuer um Floh „Dunkelsprung“ zementierte meine Liebe. Ihr letzter Roman („Gray“) schlich kinderbedingt leider an mir vorbei. Umso mehr freute ich mich, als ich auf Instagram bei der Autorin höchst selbst ihr neuestes Werk gewann: „Mord in Sunset Hall“.

Und es enttäuschte mich nicht. Fluffig-unterhaltsam präsentiert uns Swann mal wieder menschliche Schwächen und Abgründe. Aber auch unsere Stärken. Authentisch greist Agnes sich durch das Schlamassel – verwirrt, grantelnd, neugierig. Mal mit, mal ohne WG-Kumpane. Durchaus liebenswert, aber mit Vorsicht zu genießen. Wie die ganze Wohngemeinschaft.

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C. L. Polk: Witchmark – Die Spur der Toten

C.L. Polk: Witchmark - Die Spur der Toten
C.L. Polk: Witchmark – Die Spur der Toten

Eigentlich will Dr. Miles Singer doch nur ein einfaches, freies Leben führen und seinen Patienten helfen. Viele der heimgekehrten Soldaten, die er als Psychiater in der Veteranenklinik betreut, leiden unter einer unerklärlichen Krankheit. Sind psychisch instabil und neigen zu Amokläufen. Doch als der gutaussehende Gentleman mit einem sterbenden Mann auf seinen Armen aus der Kutsche steigt, bricht Miles Kartenhaus wohlgehüteter Geheimnisse unaufhaltsam zusammen.

Der sterbende Mann weiß mehr über Miles, als ihm lieb ist. Überhaupt scheint er zu viel zu wissen. Denn er wurde vergiftet. Und der elegante Gentleman Tristan Hunter zeigt wesentlich mehr Interesse an dem Vorgehen und der Aufklärung dieses Verbrechens als man erwarten könnte. Gemeinsam gehen die beiden den Dingen auf den Grund und decken Machenschaften auf, die Miles schlimmsten Albträumen entspringen.

Eine Welt voller Geheimnisse, Zwänge und Intrigen

C. L. Polks Debütroman Witchmark: Die Spur der Toten entführt uns in ein Gaslicht erleuchtetes, viktorianisches Zeitalter. Besonders die Reichen dieser Welt genießen die Vorzüge technischer Spielereien und magischer Macht. Doch die Energie dieses klassischen Steampunk-Szenarios stammt nicht von Dampfmaschinen (wie sonst in diesem Genre üblich), sondern aus einer mysteriösen Kraft namens Aether.

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Oberflächlich, sexistisch, brutal und einfach schlecht geschrieben

Candice Fox: Eden
Candice Fox: Eden

Die australische Schriftstellerin Candice Fox wird als australisches Ausnahmetalent der Kriminal-Literatur gefeiert. Der Debütroman der 1980 geborenen Autorin wurde mit dem Ned Kelly Award in der Kategorie Bester Erstlingsroman ausgezeichnet. Der Nachfolger Eden bekam ebenfalls einen Ned Kelly Award (Auszeichnung für australische oder in Australien lebende Kriminalschriftsteller). Diesmal als bester Roman. Und da tun mir die Australier nun sehr leid. Denn wie schlecht muss es um das Genre in Down Under stehen, wenn dieser Schund den Preis für den besten Roman bekommt? Oberflächlich, sexistisch, brutal und einfach schlecht geschrieben weiterlesen

Ein episches Gesamtwerk von beeindruckendem Ausmaß

James Lee Burke: Glut und Asche
James Lee Burke: Glut und Asche

Mit dem Thriller Regengötter gelang Krimi-Altmeister James Lee Burke ein aufsehenerregendes Comeback auf dem deutschen Buchmarkt. Das Bochumer Krimi Archiv zeichnete ihn mit dem Deutschen Krimi Preis 2015 aus und lobte die „pure erzählerische Wucht“ des fast 80 jährigen Texaners. Nun brachte Heyne im September den nächsten Band um den alternden Sheriff Holland heraus. Und auch dieser 704 Seiten dicke Hardboiled-Thriller überzeugt mit atmosphärischer Dichte und epischer Erzählkunst. Ein episches Gesamtwerk von beeindruckendem Ausmaß weiterlesen

Was wäre, wenn Du wüsstest, wann Du sterben wirst?

Lance Rubin: Bin mal kurz tot
Lance Rubin: Bin mal kurz tot

Lance Rubin ist Comedian und Podcast Humorist. Mit Bin mal kurz tot (Original: Denton Little’s Death Date) versucht sich der Berufskomiker an seinem ersten Roman. Das Jugendbuch weckte mit der Idee einer Zukunft, in der jeder weiß, wann er sterben wird, meine Neugierde.

Dentons Todesdatum liegt am Tag seiner Highschool-Abschlussfeier. Seit er fünf ist weiß er, dass er sterben wird, ehe er volljährig ist. Obwohl er damit einen Freibrief besaß, die Schule zu schwänzen, über die Stränge zu schlagen und aus der Reihe zu tanzen, war er stets bestrebt sein Leben dennoch ganz normal zu leben. Doch während seiner vermeintlich letzten Stunden bleibt ihm noch reichlich Zeit, sich daneben zu benehmen. Aber auch um Dinge zu klären und ehrlich zu sein. Was wäre, wenn Du wüsstest, wann Du sterben wirst? weiterlesen

Kate Hamer: Das Mädchen, das rückwärts ging

Kate Hamer: Das Mädchen, das rückwärts ging
Kate Hamer: Das Mädchen, das rückwärts ging

Die Britin Kate Hamer (selbst Mutter zweier Kinder) behandelt in ihrem Debutroman ein sehr heikles, schwieriges, berührendes Thema.

Carmel ist acht Jahre alt als sie ihre Mutter (aus den Augen) verliert. Ein Mann sagt, er wäre ihr Großvater, ihre Mutter sei nach einem Unfall schwer verletzt, sie müsse bei ihm bleiben. Also bleibt das verträumte, phantasiereiche Mädchen bei ihm. Glaubt ihm, dass er ihr Großvater ist, dass ihre Mutter ihren Verletzungen erlegen ist, dass ihr Vater sie nicht haben will. Viele Jahre lang.

Carmels Mutter Beth wurde nicht verletzt. Doch der Verlust ihrer Tochter schmerzt viel stärker als Knochenbrüche schmerzen würden. Nur mühsam gelingt es ihr, weiter zu machen, weiter zu leben. Kate Hamer: Das Mädchen, das rückwärts ging weiterlesen

Colleen Hoover: Hope Forever

Colleen Hoover: Hope Forever
Colleen Hoover: Hope Forever

Dank des amazon-vine-Programms durfte ich mich mal wieder an ein Genre heranlesen, dass ich sonst eher meide: Jugendschnulzen. Als ich Hope Forever der Texanerin Colleen Hoover aufschlug, ging ich davon aus, dass fluffige, kitschige, romantische und wenig aufwühlende Leseabende vor mir liegen würden. Doch der Mädchenroman überraschte mich mit ernsten Themen, berührenden Liebesszenen und weniger plüschigen Schwärmereien als erwartet. Colleen Hoover: Hope Forever weiterlesen

Anne Carey: Blackbird

Anne Carey: Blackbird
Anne Carey: Blackbird

Du wachst auf einem Bahngleis in Los Angeles auf. Du weißt nicht wie Du hierher kamst und wer Du bist. Du merkst allerdings schnell, dass Du verfolgt, nein, gejagt wirst. Du kannst niemandem trauen und auch nicht zur Polizei. Du bist die Protagonistin aus Anna Careys Blackbird und dies ist erst der erste Band.

Ich mag Jugendbücher. Derzeit noch mehr als sonst, weil sie meist herrlich leicht zu verdauen sind. Lehrreich zwar, aber flott zu lesen und unterhaltsam. Die Geschichte um das gedächtnislose, um ihr Leben laufende Mädchen, mit dem Vogeltattoo auf seinem Handgelenk, machte mich neugierig. Es versprach eine surrende Grundspannung. Doch dieses Versprechen hielt der Roman leider nicht. Anne Carey: Blackbird weiterlesen

Ben Aaronovitch: Schwarzer Mond über Soho

Ben Aaronovitch: Schwarzer Mond über Soho
Ben Aaronovitch: Schwarzer Mond über Soho

Die Flüsse von London von Ben Aaronovitch bereiteten mir vor über einem Jahr fluffige Lesestunden. So freute ich mich sehr, als mein Brüderchen mir zum Geburtstag den zweiten Teil der fantastischen Krimireihe schenkte. Der schließt nahtlos an den Vorgänger an, so dass man diesen auf jeden Fall vorher gelesen haben sollte.
Wieder machte es Spaß Zauberlehrling und Police Constable Peter Grant durch Londons magische Seiten zu begleiten. Doch leider reicht der zweite Band nicht an den ersten heran. Schwarzer Mond über Soho wirkt eher wie ein Zwischenspiel, das nur auf den dritten Teil hinarbeitet. Ben Aaronovitch: Schwarzer Mond über Soho weiterlesen