Kiri Johansson: „Das Haus am Ende des Fjords“

"Das Haus am Ende des Fjords" von Kiri Johansson

Isving lebt ihren Traum als Besitzerin eines charmanten Bed & Breakfast in den isländischen Westfjorden. Umgeben von zauberhaftester Landschaft. Sogar mit eigenem Hot Pot und einem Pferdehof in der Nähe. Zwar ist Freizeit selten, aber Isving ist hier glücklich. Bis sie eine niederschmetternde Diagnose erhält und sich die Teilhaberin ihres Bed & Breakfast aus dem Staub macht.

Doch das Schicksal hält noch mehr für die bescheidene Rothaarige bereit. So richtig durcheinander gerät das Leben der leidenschaftlichen Brotbäckerin nämlich, als strömender Regen eines Abends einen späten Gast in ihr Haus schwemmt. Der schöne Mann reist inkognito. Denn der sensible Reisende ist ein bekannter Popstar. Seine Band – weltberühmt. Er will sich vom aufzehrenden Tour-Leben erholen. Sucht Inspiration für neue Lieder. Sehnt sich nach einer Muse. Isving ahnt davon jedoch lange nichts.

Feinfühlig und ruhig

"Das Haus am Ende des Fjords" von Kiri Johansson

Hach, da muss ich doch glatt schon wieder seufzen. Isving und Thór berührten mein Herz so sehr. Und dass, obwohl ich Charakteren mit extremen Biographien gegenüber sehr misstrauisch bin. Aber auch wenn ihre Lebensläufe durchaus besonders sind, fühlte ich mich den beiden nah. Wirkten sie kein bisschen abgehoben. Waren sie authentisch. Isvings Krankheit gehört nach und nach zu ihrem Leben. Wird nicht dramatisiert. Thórs Berühmtheit genauso wenig. Sie sind normale Menschen, mit besonderen Berufen. Besonderen Herausforderungen. Mehr nicht.

Johansson komponiert die Liebesgeschichte ihrer musikalischen Protagonisten feinfühlig und ruhig. Gibt ihnen Zeit. Erzählt ihre Geschichte weiter. Das „Ich liebe Dich“ ist nicht das Ende. Dann beginnt die gemeinsame Geschichte erst. Die mindestens genauso spannend, genauso aufregend ist, wie das Kennenlernen.

Island-Verliebtheit

Die mitreißenden Beschreibungen der isländischen Landschaft, der herzlichen und aufgeschlossenen Menschen, des launischen Wetters vertieften meine Island-Verliebtheit. Wie gerne würde ich in den Flieger steigen und dieses atemberaubende Land entdecken. Lieber heute als morgen. Johanssons Bücher sind verführerischer als jedes Reiseprospekt!

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„Liebeserklärungen“ von Wladimir Kaminer

"Liebeserklärungen" von Wladimir Kaminer
„Liebeserklärungen“

Man, man, man – was für eine Ausstrahlung! Welch Witz! Welch Charme! Wladimir Kaminer bezirzte mich. Als ich ihn letztes Jahr bei der lit.Love erleben durfte, schmolz ich dahin. Auf dem Lesefestival der Verlagsgruppe Random House las er aus seinen neuen Büchern: „Tolstois Bart und Tschechows Schuhe“ und „Liebeserklärungen“.

Kaminer live ist ein Fest. Ein großer Spaß. Ihm zuhören und zusehen wie er aus den „Liebeserklärungen“ liest war ein kurzweiliger Rausch. Doch ohne seine Präsenz konnte mich das Buch nicht überzeugen.

Die ausgeschmückten Anekdoten haben mit Liebeserklärungen nicht viel am Hut. Vielmehr sind es Beobachtungen und Gedanken zu mehr oder weniger peinlichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Frauen wollen heiraten, Männer wollen Sex. Männer möchten Frauen glücklich machen, Frauen möchten Sex. Meist um Beziehungen zu retten. Das alles durchaus mit Schalk erzählt. Doch war es mir zu viel Altherrenwitz, zu viel Kneipenphilosophie.

Lese-Quickies, die nicht weh tun

"Liebeserklärungen" von Wladimir Kaminer
„Schöner Rücken

Die Geschichten sind kurz und laden ein, sie in kleinen Happen zu verzehren. Perfekt als Klolektüre. Was absolut nicht als Abwertung zu verstehen ist. Die Kategorie wertet das Buch für mich eher auf. Denn gute Bücher für unsere Toiletten-Bibliothek sind gar nicht so leicht zu finden.

Ein paar Randbemerkungen über russisches Leben und osteuropäische Gesellschaft behalte ich vielleicht im Hinterkopf. Doch keine der „Liebeserklären“ wird mir in Erinnerung bleiben. Die meisten habe ich jetzt schon vergessen. Kaminers kleine Geschichtchen sind Lese-Quickies, die nicht weh tun. Deren Eindruck nach dem Händewaschen aber auch schnell verfliegt.

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„Mord in Sunset Hall“ von Leonie Swann

"Mord in Sunset Hall" von Mord in Leonie Swann
„Mord in Sunset Hall“

In ihrer Kindheit hieß ihr Haus noch Morning Cottage. Doch nachdem Agnes eine Senioren-WG gründete, übermalte ein Scherzbold das Namensschild mit dem klangvollen Titel: „Sunset Hall“. Und den mehr oder weniger rüstigen Rentnern gefiel der neue Name.

Ihr Sinn für Humor ist nicht das Einzige, was die betagten Bewohner von Sunset Hall auszeichnet. Auch wenn Agnes von ihrer Hüfte gequält wird, der Marschall immer öfter etwas vergisst und Edwina eh in ihrer ganz eigenen Welt lebt – die alten Herrschaften haben einiges auf dem Kasten. Die Cremehütchen verschlingende, blinde Bernadette, der würdevoll im Rollstuhl sitzende Winston, Neuzugang Charlie (die Brexit und frischen Wind ins Haus bringt) und – last but not least – Schildkröte Hetti, komplettieren die Rentner-Gang.

Die Bewohner von Sunset Hall sind füreinander da. Kümmern sich. Immer! Selbst wenn es darum geht, einen Mord aufzuklären. Oder auch zwei oder drei. Denn plötzlich wimmelt es in der Nachbarschaft nur so von toten alten Damen. Und der Mörder versteckt sich irgendwo in der britischen Dorfidylle. Wenn es neben der Mörderjagd nicht auch noch so viele eigene Geheimnisse zu hüten gäbe…

Fluffig-unterhaltsam präsentierte Abgründe

"Mord in Sunset Hall" von Leonie Swann

Hach, ich liebe Leonie Swanns Wohlfühlkrimis einfach. Als Schaf-Fan war ihr Debut „Glennkill“ für mich ein Muss. Und Genuss! Den irren Ziegen in „Garou“ verfiel ich noch mehr. Und ihr fantastisches Abenteuer um Floh „Dunkelsprung“ zementierte meine Liebe. Ihr letzter Roman („Gray“) schlich kinderbedingt leider an mir vorbei. Umso mehr freute ich mich, als ich auf Instagram bei der Autorin höchst selbst ihr neuestes Werk gewann: „Mord in Sunset Hall“.

Und es enttäuschte mich nicht. Fluffig-unterhaltsam präsentiert uns Swann mal wieder menschliche Schwächen und Abgründe. Aber auch unsere Stärken. Authentisch greist Agnes sich durch das Schlamassel – verwirrt, grantelnd, neugierig. Mal mit, mal ohne WG-Kumpane. Durchaus liebenswert, aber mit Vorsicht zu genießen. Wie die ganze Wohngemeinschaft.

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„Dann kam Bär“ von Richard T. Morris und LeUyen Pham

"Dann kam Bär" von Richard T. Morris und LeUyen Pham
„Dann kam Bär“ von Richard T. Morris und LeUyen Pham

„Es war einmal ein Fluss, der strömte Tag und Nacht. Doch er wusste nicht, dass er ein Fluss war, bis…“ – naja, bis der neugierige Bär vorbeikam. Und prompt in den Fluss plumpste.

Plötzlich fand sich Bär auf einem Abenteuer wieder. Fand Freunde, Spaß, Umwege, Gefahren und die große weite Welt. Dabei entdeckte er, dass es ganz viele, verschiedene Tiere gibt. Die alle ihr eigenes Leben führten. Umso schöner ist es, nun zu wissen, dass dieses Leben allen gemeinsam gehört.

Im Bilderbuch „Dann kam Bär“ reißt uns der Fluss des Lebens mit. Nimmt uns mit auf eine aufregende Reise durch den wilden Wald. Was einsam, farblos und recht trist beginnt, verwandelt sich in ein rauschendes Farbenfest. Wird zum wimmelnden Reigen ungestümer Tierfreunde. Zum Fest des Lebens. Zur Feier von Neugier, Mut und Weltoffenheit.

Pädagogisch wertvoll

"Dann kam Bär" von Richard T. Morris und LeUyen Pham
„Dann kam Bär“ von Richard T. Morris und LeUyen Pham

Die großflächigen, feinsinnigen Illustrationen geben der Fantasie Raum sich zu entfalten. Zu hinterfragen: Warum ist denn am Anfang alles so farblos? Wie unterscheidet sich die Darstellung des Waldes am Ende von der am Anfang? Auch die Mimik der Tiere spricht Bände. Ganz wunderbar kann man hier mit Kindern üben, verschiedene Emotionen zu erkennen. Damit ist „Dann kam Bär“ in meine Augen nicht nur ein wunderschönes Kinderbuch, sondern verdient auch das Prädikat „pädagogisch wertvoll“.

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„Adrian hat gar kein Pferd“ …oder doch?

Adrian hat gar kein Pferd
„Adrian hat gar kein Pferd“ von Marcy Campbell und Corinna Luyken

„Adrian Simmer erzählt jedem, der ihm zuhört, dass er ein Pferd hat.

Manche Kinder glauben ihm. Ich aber nicht.“

Adrians Mitschülerin Zoe beobachtet den Jungen mit den roten Haaren ganz genau und erzählt uns, was sie sieht. Erzählt vom kleinen Haus, in dem Adrian mit seinem Opa wohnt. Von den Löchern in seinen Schuhen. Von seinem unordentlichen Schulpult. Sie versteht nicht, warum es niemandem etwas ausmacht, dass dieser Junge lügt.

Bis ihre Mama beim gemeinsamen Gassigehen mit dem Familienhund einen anderen Weg einschlägt als sonst. Sie in einer Gegend landen, in der die Häuser wirken „als ob sie jeden Moment zusammenbrechen würden.“ Und plötzlich sind sie da. Bei Adrian. Nirgends ein Pferd…oder doch?

Seine geballte Vorstellungskraft im Rücken

Mitten im Trubel der Frankfurter Buchmesse fiel mir „Adrian hat gar kein Pferd“ in die Hände. Hüllte mich in seine warmen Farben. Verzauberte mich geradezu. Corinna Luykens Illustration nahm mich vollkommen ein. Diese Kinder, die sich mit verschränkten Armen gegenüberstehen. Der eine, seine geballte Vorstellungskraft im Rücken. Die andere kalt, wertend. Und doch beide auf Augenhöhe. Ganz still wurde es um mich herum, während ich in diesem wundervollen Buch blätterte. Wie treffend mein erster Eindruck war, realisierte ich schnell.

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Beeindruckend, lehrreich und mitreißend schön – „Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee“

Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee
Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee

Heute könnt Ihr im Instagram Adventskalender von @presteljunior ein ganz besonderes Buch zu gewinnen: „Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee“ von Illustratorin Annika Siems und Zoologe Dr. Wolfgang Dreyer.

In berauschenden Gemälden nimmt uns Wissenschaftsillustratorin und Malerin Annika Siems mit ins Tauchboot. Wir reisen durch die Farbschichten des Meeres, durch die Dämmerlichtzone bis hinab in die finstere Tiefsee. In über 1.000 Metern Tiefe. Wir lernen Details über die verschiedenen Planktonarten, begegnen Rippenquallen, Leuchtkalamaren und gruseligen Anglerfischen.

Leben, wo wir keines vermuten

Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee
Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee

Die Dunkelheit scheint voller Lichtpunkte. Faszinierende Wesen wie der Vampirtintenfisch und die mal blinkende, mal rot leuchtende „Alarm-Qualle“ Atolla leben dort, wo wir kein Leben vermuten. Genauso wie Riesenkrabben, Drachenfische, durchsichtige Glaskalamare, unheimliche Gespensterfische, furchteinflößende Viperfische. Doch auch der Pottwal findet seinen Weg in die Finsternis. Wahrscheinlich um Riesenkalamare zu jagen.

Selbst am Meeresboden – über 4.500 Meter unter der Oberfläche – leben unglaubliche Wesen: Dreibeinfische, Schleimaale, Chimären und Kaltwasserkorallen. Und dort, wo in über 6.000 Metern Tiefe heißer Vulkanatem aus der Erde quillt; das Wasser 400 Grad Celsius heiß ist und Schwefelwasserstoff doch eigentlich alles zum Tode verdammen müsste: Dort wimmelt es nur so von Leben.

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„Garten der Wünsche“: Eine Geschichte vom Finden. Vom Zulassen und Entscheiden.

Kristina Valentin: "Garten der Wünsche"
Kristina Valentin: „Garten der Wünsche“

Mir stand der Sinn nach etwas Fluffigem. Etwas herzerwärmend Frischem. Nach einem Buch, das etwas Sonne in diese nicht hell werdenden Novembertage bringt. Wie von selbst griff meine Hand nach dem „Garten der Wünsche“ von Kristina Valentin. Die norddeutsche Autorin versüßte mir als Kristina Günak mit „Glück ist meine Lieblingsfarbe“ meinen Sommerurlaub. Und wie gehofft, wehte mir „Garten der Wünsche“ ein paar frühlingshafte Sonnengefühle in den Herbst.

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Liane Moriarty: „Neun Fremde“

Liane Moriarty: "Neun Fremde"
„Neun Fremde“

Erholung, Heilung, eine Pause – das wünschen sich die neun Gäste des erstklassigen Wellness-Resorts Tranquillum House. Schmonzetten-Autorin Francis, die auf einen Heiratsschwindler reinfiel und deren Karriere zu Ende scheint. Scheidungsanwalt Lars, der seine jährliche Auszeit nimmt. Der hünenhafte Tony, der allen irgendwie bekannt vorkommt. Die stille Vorstadtmama Carmel. Das junge, unfassbar reiche Ehepaar. Und die sportliche Familie (Mama, Papa, Studententochter). Sie alle reisen mit ihrem ganz eigenen Gepäck an. Voll gepackt mit Sorgen, Ängsten und Wünschen. Doch egal was sie sich vorstellten – Luxus-Wellness, Eheberatung, Abnehmkur – am Ende gehen alle gemeinsam auf einen lebensverändernden Trip, den sie so nicht erwartet haben.

„Neun Fremde“ der australische Bestseller-Autorin Liane Moriarty („Tausend kleine Lügen“ – besser bekannt als HBO-Serie „Big Little Lies“) beschreibt auf fast schon groteske Weise, wohin die Jagd nach Entspannung, Erleuchtung, Weiterentwicklung führen kann. Wie weit der Mensch laufen kann, um seinen Ängsten aus dem Weg zu gehen. Wie zerstörerisch, verletzend und blind wir sein können. Wie schnell wir Urteile fällen. Über uns selbst und über andere.

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„The Hills“: Dichtes Kammerspiel

Matias Faldbakken: The Hills
Matias Faldbakken: The Hills

Im Oktober durfte ich den norwegischen Künstler Matias Faldbakken live bei einer Openbooks-Lesung während der Frankfurter Buchmesse erleben. Er stellte seinen aktuellen Roman The Hills vor und weckte meine Neugier.

Im Hills läuft alles wie ein Uhrwerk. Von morgens bis abends; jahrein, jahraus. Das gehobene Osloer Traditionsrestaurant bietet seinen Kunden exzellente Gerichte, erlesene Getränke und einen ausgezeichneten Service. Der Pianist begleitet die Mahlzeiten mit leisem Geklimper passend zur Tageszeit und Stimmung. Die Kellner lesen den Gästen die Wünsche von den Augen. Besonders der namenslose Erzähler. Ein älteres, hochgebildetes Faktotum. Vernarrt in das Schöne, Regelmäßige, Strukturierte. Dessen Welt im Laufe weniger Tage auseinanderdriftet. Implodiert.

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