„Wovon die Sterne träumen“ von Manon Fargetton

Der Roman „Wovon die Sterne träumen“ von Manon Fargetton

„Die Welt ist klein. Sehr klein.
Es ist schon fast ein Jahrhundert her, dass ein ungarischer Schriftsteller in einer seiner Erzählungen die Idee entwickelt hat, jeder Mensch auf diesem Planeten sei mit dem anderen beliebigen Menschen über eine Kette von fünf Beziehungen verbunden.“

Seit Wochen verkriecht Titouan sich in seinem Zimmer. Baut einen Wald aus Lego-Steinen um sich herum. Geht noch nicht einmal zum Essen nach unten. Lässt sich auch nicht von seiner kleinen Schwester Lila herauslocken. Dass morgen die Ferien vorbei sind und die Schule beginnt, wird ihn auch nicht aus seiner Zuflucht holen.

Alix‘ Herz schlägt für das Theater. Unbedingt will sie auf die Schauspielschule in Paris. Der Theaterkurs in der Schule bereitet sie darauf vor. Er ist ihr Reich. Ihr Allerheiligstes!

Ihr Vater Armand war immer für Alix da. Er liebt seine Tochter bedingungslos. Aufopfernd. Will jede Minute mit ihr nutzen, bevor sie ihr Nest verlässt.

Theaterlehrerin Gabrielle blickt abgeklärt auf das Leben und die Liebe. Zwischen ihren Liebschaften gibt ihr bester Freund Armand ihr beständige Sicherheit.

Vor zwei Jahren starb Lucien. Seitdem ist Luce allein. Nach so vielem Jahren, nach einem Leben zu zweit.

„Und während sie zuschaut, wie sich die bunten Papageien hinter dem Gitter der Voliere tummeln, kommt Luce zu dem Schluss, dass unser Lebensmut – jedenfalls zum Teil – in proportionalem Verhältnis zur Zahl der Menschen steht, die uns lieben. Und sie hat niemanden mehr.“

Mutige Emotionen

Die Rückseite des Romans „Wovon die Sterne träumen“ von Manon Fargetton

Ach, was litt ich mit Luce. Alte Liebe bringt mich immer zu Fall. Und ich falle so gerne! Hinein in diese Gefühle. Luce, oh Luce – was beeindrucktest Du mich! Aber nicht nur Du.
Auch die anderen Protagonisten imponierten mir. Mit ihrem Mut zur Emotion; zu ihren Ängsten. Ihren Überwindungen. Dabei waren sie so echt in ihrem Zurückschrecken. In ihren Fluchten und Verleugnungen. Ihren Wünschen. Und in ihrer Trauer.

Selbst die Nebenfiguren brillierten, egal ob Klassenkameraden, Crépe-Bäcker oder abwesende Mütter. Allen voran aber Titouans Familie, die einfach nicht begreift, was in dem Teenager vorgeht. Die sich durch all die Phasen der Sorge quält: Verständnis, Ignoranz, Wut, Verzweiflung, Resignation. In der jeder anders mit dem Jungen umgeht. Mit der Liebe zu ihm.

Liebe – kompliziert, vielschichtig, schmerzhaft

Liebe! Die lungert hier auf allen Seiten: Platonische Liebe, romantische Liebe, Nächstenliebe, Kinderliebe, Elternliebe – kompliziert, vielschichtig, schmerzhaft.

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„Oma kommt zurück“ von Sabine Wolfgang

Das Kinderbuch „Oma kommt zurück“ von Sabine Wolfgang vor einem Frühlingsblumenstrauß und einer brennenden Kerze in einer kleinen Tasse.

„Drei Nachmittage in der Woche verbringt der Leo mit seiner Oma. Er sagt Oma-Tage dazu. Die Oma-Tage sind die besten, weil die Oma einfach die Beste ist.“

Oma ist Marionettenspielerin. Und Leo lernt das Puppenspiel von ihr. Wenn er mit Oma und den Marionetten zusammen ist, ist der Junge ganz im Moment.

„Die Mama sagt immer, der Leo ist eine alte Seele.“

Dabei ist er der Jüngste in seiner Klasse. Er wird erst in den Sommerferien acht Jahre alt. Aber er mag Apfelstrudel lieber als Cupcakes; alte Fersehserien lieber als Neue. Das unterscheidet ihn schon ein wenig von seinen Mitschülern.

Außerdem beschäftigen ihn seltsame Fragen. Etwa, wie eine Seele aussieht. Er nimmt sich Vieles zu Herzen. Empfindet sehr intensiv. Braucht Auszeiten. Vielleicht weint er auch etwas mehr als die anderen Kinder.

Was geht da in dem Leo vor?

Als Leos geliebte Oma stirbt und er sie in einer Katze wiedererkennt, beginnen Lehrer und Mutter zu grübeln. Was geht da in dem Leo vor? Kann ein Profi ihm helfen mit seinen Gefühlen umzugehen? Und ist Leo vielleicht hochsensibel?
Ein Besuch bei einer Coachin für Hochsensibilität bestätigt die Vermutung. Die Expertin hilft Leo und seiner Mama, sich in ihrer herausfordernden Situation zurecht zu finden.

Herzensthema Hochsensibilität

Die Rückseite des Kinderbuches über Hochsensibilität „Oma kommt zurück“ von Sabine Wolfgang

Selbst hochsensibel liegt das Thema Autorin Sabine Wolfgang am Herzen. Auch ich denke hochsensibel zu sein. Undiagnostiziert. Aber die Indizien sind erdrückend. Lärm und Licht vertrage ich seit jeher schlecht. Ich liebe es alleine zu sein. Brauche regelmäßige Auszeiten. Von allem. Kann Stunden damit verbringen aus dem Fenster zu starren und philosophische Fragen zu wälzen. Bin ganz groß darin mich in Selbstvorwürfen zu wälzen und mein Ich zu sezieren.

Die Gefühle anderer Menschen nahm ich bis ins junge Erwachsenenalter nahezu wie meine eigenen wahr. Dachte damals eher an magisch-esoterische Superkräfte. Noch immer zerfließe ich in Tränen oder jauchze vor Glück mit anderen. Allerdings schaffe ich es inzwischen zu filtern. Mich nicht überrollen zu lassen.

Wegen meiner Erfahrungen bin ich überzeugt davon: Je früher wir Hochsensibilität bei uns oder unseren Kindern entdecken, desto besser können wir lernen mit ihr umzugehen. So dass wir diese Eigenschaft als Gabe annehmen, nicht als Fluch.

Besonders wertvoll für erwachsene Leser

Als Kinderbuch gibt „Oma kommt zurück“ die Möglichkeit, das Thema feinfühlig in die Familie zu bringen. Zum Selberlesen empfiehlt die Autorin das Buch Kindern ab acht Jahren. Als Vorlesebuch lauschen Kids ab sechs Jahren bestimmt auch gerne. Erkennen sich vielleicht selbst wieder. Besonders wertvoll empfinde ich das Buch allerdings für erwachsene Leser. Denen hier geholfen wird, ihre hochsensiblen Kinder besser zu verstehen.

Falls Ihr also grübelt, ob Euer Kind vielleicht ein wenig zartbesaiteter tickt als andere, dann lege ich dieses Buch ans Herz. Obwohl ich es erstmal was viel fand, die beiden Thematiken Tod und Hochsensibilität zu verbinden. Doch macht das Sinn. Denn gerade in Extremsituationen zeigt sich unser Wesen.

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„Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte

Der Roman „Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte in einem Boot am Meer

„Das Ehepaar Kalster steht gern am Fenster. Sie haben Jahre gelebt und wohl auch Geschichten. Aber inzwischen sind sie inmitten ihrer Rituale verknöchert, und Unvorhergesehenes wirft sie schnell aus der Bahn.“

Wie das Verhalten von Familie Mohn. Nach Johannas Tod. Dem Tod der Mutter; der Ehefrau. Denn die drei Kinder und ihr Vater trauern. Trauern anders. Zu lang. Zu intensiv. Nicht normal. Was die Nachbarn aus der Bahn wirft. Und Trauerberater Ginster auf den Plan ruft. Denn das mit der Trauer muss doch seine Ordnung haben.

„Wer beim Trauern auffällt, richtet gesellschaftlichen Schaden an.“

Aber was interessieren die Mohns aus der Bahn geworfene Nachbarn. Ihr Universum ist verrückt. Ihre Welt eine andere. Um die wankende Welt ins Lot zu bringen, schreiben sie Johannas Vergangenheit. Neu. Mit wundersamen Freunden. Begegnungen, wie sie nur entrückten Momenten entspringen. Nur verrückten Blicken möglich sind. Und so versinken alle Beteiligten in ihrer Welt. Einer anderen Welt.

„Denn alles will zusammenfallen.“

Bildgewaltig und wahrhaftig

Rückseite des Romans „Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte

Was liebe ich Stefanie vor Schultes Sprache! Ihre Bildgewalt und absurde Wahrhaftigkeit. In ihrer skurrilen Poesie fühle ich mich warm geborgen und verstanden.

Allerdings brauchte ich lange für die Lektüre von „Schlangen im Garten“. Was daran lag, dass ich mir die Sätze laut vorlesen musste. Mir Wendungen durch die Augen auf die Zunge schieben musste. Um sie durch die Ohren neu aufzunehmen. Hin und her schob ich das Gelesene. Nahm es auseinander. Um es neu zu entdecken. Verstecktes zu finden. Was ich mir vielleicht selbst dort hineinlegte. Wodurch es aber nicht weniger wertvoll war. Vielleicht gar an Wert gewann.

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„Heiße Milch mit Honig: Eine Geschichte, die wärmt und tröstet“ von Frank Daenen

„Heiße Milch mit Honig: Eine Geschichte, die wärmt und tröstet“ von Frank Daenen

Kleiner Bär und Großer Bär sitzen zusammen. Trinken eine Tasse heiße Milch mit Honig. Bevor ihr Winterschlaf beginnt. Dabei schmiedet Kleiner Bär Pläne fürs Frühjahr. Spiele spielen. Pfannkuchen backen. Dem Großen ein Liedchen vorspielen. Ein Baumhaus bauen. Und natürlich heiße Milch mit Honig trinken.

Als Kleiner Bär nach dem Winter erwacht, freut er sich auf all das. Doch… Großer Bär ist nicht da! Er fehlt. Kleiner Bär vermisst ihn so sehr! Die Trauer macht Bauchweh. Macht bewegungslos.

Nach und nach schaffen es seine Freunde ihn aufzumuntern. Setzen all die schönen Pläne um. Bis das lächelnde Bärchen wieder da ist. „Nur wenn etwas daneben geht, fehlt ihm Großer Bär mehr denn je…Dann denken Kleiner Bär und seine Freunde zusammen an Großer Bär und wie lieb er war. Bei einer Tasse heiße Milch mit Honig.“

Kleiner Bär versinkt in Trauer und wir trauern mit

„Heiße Milch mit Honig: Eine Geschichte, die wärmt und tröstet“ von Frank Daenen

In „Heiße Milch mit Honig“ zeigt uns Frank Daenen in herzigen Bildern, was Trauer anrichtet. Was mit uns passiert, wenn jemand Geliebtes nicht wiederkommt. Stirbt. In gedeckten Farben und wohliger Atmosphäre verströmt das Bilderbuch eine warme, ruhige Stimmung. Der belgische Illustrator lässt uns fühlen, was kleiner Bär fühlt. Lässt uns mit ihm trauern.

Denn Kleiner Bär versinkt in Trauer. Zieht sich zurück. Kapselt sich ab. Durchlebt einen tiefen Trauerprozess. Bis – ganz langsam – wieder Leben in ihn kommt. Seine Freunde ihn wieder erreichen. Lebensfreude zurückkehrt. Doch die Trauer verschwindet nicht komplett. Bleibt Teil vom Kleinen Bären. Sowie all die schönen Erinnerungen. Denen er Raum gibt. Die er hegt. Und es ist ok. Ok, zu trauern. Ok, wieder Freude zu empfinden.

Rührt zu Tränen und weckt Erinnerungen

„Heiße Milch mit Honig: Eine Geschichte, die wärmt und tröstet“ von Frank Daenen

„Heiße Milch mit Honig“ rührt zu Tränen. Es weckte Erinnerungen an meine Oma. An meine Großtante. An Urlaube mit meinem Onkel. Und an Treffen mit Freunden, die nicht mehr da sind. Ich roch die heiße Milch mit Honig. Ja, das tat ich. Aber auch den Grießbrei meiner Kindheit. Einen Kuhstall im Allgäu, Mangeldampf und Tomatensuppe. Weinte ein paar Tränen um all die Menschen, von denen ich mich schon verabschieden musste.

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„Der blaue Vogel“ von Britta Teckentrup

„Der blaue Vogel“ von Britta Teckentrup

Das Bilderbuch „Der blaue Vogel“ (Originaltitel: „Blue“) zeigt, wie es sich anfühlt allein zu sein. Allein und energielos. Gefangen in Trauer oder Depression. Und es zeigt, dass es sich lohnt trotzdem Kontakt aufzunehmen. Behutsam. Ausdauernd.

Ganz unten

Der blaue Vogel sitzt auf dem untersten Ast des großen Baumes. Ganz unten. Dort, wo die Sonne nicht hinkommt. Seit langer Zeit schon sitzt er im Dunkeln. Sehnt sich nach Sonne. Doch verharrt starr, antriebslos und allein in der Finsternis.

Bis ein neuer Vogel auftaucht. Ein Vogel, der unvoreingenommen ist. Der dem blauen Vogel langsam, ganz langsam näherkommt. Dessen dunkle, stille Welt beharrlich mit Gesang und Licht flutet. Bis die Finsternis schwindet. Bis der blaue Vogel wieder Farben sieht und Mut fasst. Zusammen mit seinem Freund. Der ihm vorsichtig und umsichtig Kraft und Hoffnung gibt.

Ans Licht

„Der blaue Vogel“ von Britta Teckentrup
„Der blaue Vogel“

Britta Teckentrup beginnt ihr emphatisches Kinderbuch in dunklen Farben. Der kleine blaue Vogel ist in einer finsteren, ruppigen Welt gefangen. Ein Gefängnis aus dichtem, bedrohlichem Geäst. Die Welt der anderen Vögel hüllt Teckentrup in warme, behagliche Töne. Da wundert es nicht, dass die bunten Himmelstänzer den traurigen Blauen nicht verstehen. Warum sie nicht zu ihm hinab wollen.

Bis dieser strahlend gelbe Vogel kommt. Der sein eigenes Licht mitbringt. Der es bis ganz nach unten trägt. Und es mit dem blauen Vogel teilt. Um endlich zusammen der Lichtspur nach oben zu folgen.

„Der blaue Vogel“ ist eine ästhetische, feinfühlige Bildergeschichte über Trauer und Einsamkeit. Die kraftvollen Collagen kämen auch gut ohne den sparsamen Text aus. Sie sprechen für sich. Laden ein über Gefühle zu reden. Motivieren aufeinander zuzugehen. Nicht wegzuschauen. Beharrlich zu sein, aber nicht aufdringlich. Eine wundervolle Botschaft.

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„Der lange Weg zu Dir“ erzählt in wunderschönen Bildern von unglaublicher Trauer

"Der lange Weg zu Dir" von Martin Widmark und Emilia Dziubak
„Der lange Weg zu Dir“

Das Cover von „Der lange Weg zu Dir“ traf mich mitten ins Herz. Berührte mich da, wo es weh tut. Die schmerzhaft stille Illustration von Emilia Dziubak ging mir nicht mehr aus dem Kopf. So schön und so voller Trauer. Stimmte mich das Cover schon melancholisch, brach mir das Vorsatzpapier das Herz.

Es brach mir das Herz, so wie Adams Herz brach als Rufus – sein Hund und einziger Freund – zum letzten Mal ausatmete, die Augen schloss und Adam verließ. Mit Rufus verlässt auch jegliche Energie Adam. Er will nicht mehr essen, nicht aufstehen, starrt nur aufs düstere Meer.

Auch Sonia starrt aufs Meer. Sie bewundert mit ihrer Katze Miezi den Sonnenaufgang, während ihr Magen vor Hunger knurrt. Irgendwann, eines Tages will sie „den Ort sehen, an dem die Sonne aus dem Meer steigt.“ Und dann läuft Miezi los. Immer weiter und weiter. Über die Landstraße in eine Stadt; über eine Brücke und durch große Gefahr bis zu einem Haus am Meer. Wo sie das Leben zurück zu Adam bringen.

Es ist ein düsteres Märchen über zwei einsame, elternlose Kinder in Zeiten, die nicht sehr kinderfreundlich waren. Die Erwachsenen sind grob, grausam, ignorant oder hilflos. Die Kinder sich selbst überlassen.

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