Mit dem Thriller Regengötter gelang Krimi-Altmeister James Lee Burke ein aufsehenerregendes Comeback auf dem deutschen Buchmarkt. Das Bochumer Krimi Archiv zeichnete ihn mit dem Deutschen Krimi Preis 2015 aus und lobte die „pure erzählerische Wucht“ des fast 80 jährigen Texaners. Nun brachte Heyne im September den nächsten Band um den alternden Sheriff Holland heraus. Und auch dieser 704 Seiten dicke Hardboiled-Thriller überzeugt mit atmosphärischer Dichte und epischer Erzählkunst.
Altersweise, bärbeißig und mit dem Herz am rechten Fleck hütet Sheriff Holland seine Schäfchen am Ende der Welt, kurz vor Mexiko. Illegale Einwanderer, Drogenschmuggler und Zuhälter gehören zu seinem Alltag. Doch nun muss sich der Korea-Veteran nicht nur mit einem brutalen Mord an einem korrupten Polizisten in der Wüste rumschlagen, sondern auch den Entwickler gefährlicher Drohnen finden, bevor dieser an Al-Qaida verkauft, gefährlichen Söldnern, Senatorsprößlingen, Pornoproduzenten oder dem FBI in die Hände gerät. Dass der Waffenerfinder mit dem irren Massen- und Serienkiller Preacher Jack Collins unterwegs ist, gestaltet die Aufgabe nicht unbedingt leichter. Der pockennarbige Mörder mit Messiaskomplex spielt weiter seine Spielchen mit dem Gesetzeshüter.
Keine Frage: Glut und Asche ist spannend und wundervoll erzählt. Burke malt mit seinen Worten prächtige (Öl-)Gemälde der südwest-amerikanischen Wüstenlandschaft und ihrer Naturgewalten. Er beleuchtet als allwissender Erzähler die Psyche, Vergangenheit und Gegenwart seiner Figuren und bildet damit ein episches Gesamtwerk von beeindruckendem Ausmaß. Sowas muss man mögen. Für mich dürfen Erzählungen gerne knackig sein und sich auf Wesentliches beschränken. Zu viele Erzählstränge und Charaktere strengen mich meist an und machen mir keinen Spaß. Doch obwohl Burke eine Horde Figuren in den Pott wirft – ich fühlte mich nicht überfordert. Vielleicht weil einige trotz der erzählerischen Dichte recht eindimensional bleiben; vielleicht weil es reichlich spannende Szenen gibt, die mich immer wieder in Atem gehalten haben. Und das, obwohl ich mit keiner der Figuren wirklich warm wurde.
Der interessanteste Charakter ist zweifelsohne der Killer Preacher Jack von dem der Autor selber sagt, dass es der faszinierendste Gauner ist, den er je beschrieben hat. In einem Video auf der Verlagsseite (randomhouse.de) wirkt er geradezu verliebt als er seinen Parade-Bösewicht beschreibt. Auch die anderen Charaktere sind grundsätzlich solide angelegt. Die wenigsten sind nur böse oder nur gut. Viele haben in ihrer Vergangenheit unschöne Dinge getan. Einige wollen sie wieder gut machen, andere vertiefen. Viele zermartern sich mit Schuldgefühlen und Reue. Mancher unterdrückt seine Gefühle, oder potenziert sie in sehr grausamer Weise. Burke beschreibt seine (Anti-)Helden, Gauner und Schattenwesen präzise, meist mehrdimensional und eingängig. Dennoch bleibt eine wirkliche Tiefe auf der Strecke. Schade.
Wirklich geärgert hat mich bei der Lektüre aber allein die vollkommen unnötige Liebesgeschichte zwischen dem fast schon greisen Sheriff und seiner Kollegin, die mindestens seine Tochter, wenn nicht sogar Enkelin sein könnte. Diese Affäre ist nicht nur absolut entbehrlich, sondern bremst auch immer wieder den Erzählfluss aus.
Obwohl ich in der Regel weder epochalen Romanen mit einem Heer an Charakteren, noch amerikanischen Hardboiled-Thrillern viel abgewinnen kann, und ich mich über die Liebesgeschichte ärgerte, habe ich Glut und Asche sehr gerne gelesen. Ich konnte teilweise nicht aufhören und habe einmal sogar die Bahnstation verpasst, an der ich hätte aussteigen sollen. Das Buch ist spannend!
Für alle, die mehr von Hackberry Holland lesen wollen: Er trat in Regengötter nicht zum ersten Mal auf. Schon 1971 gab er in der Novelle Lay Down My Sword And Shield sein Debut. Und nun im Dezember folgt schon der nächste Band um den komplexen Sheriff. Wann er auf Deutsch erscheint ist noch ungewiss.