„Das Konsortium oder Die ungenaue Zeit“ von Martin Gries

Der Roman „Das Konsortium oder Die ungenaue Zeit“ von Martin Gries

Mejouffrouw Mariettas Vater brach das Dritte Gesetz. Die Uhren des Mechanikers wurden zu genau. Und jeder weiß: Die Zeit gehört dem Konsortium. Wer Zeit genau misst, ist des Todes.“ Marietta hat keine Wahl: Nachdem ihr Vater verhaftet wurde, flüchtet die junge Frau. Mit der viel zu genauen Uhr im Gepäck.

Charles Vater hält sich genauestens an die Gesetze. Als Ingenieur baut er dem Konsortium die wertvollen Leuchttürme. Die mit ihrem Licht Orientierung in die orientierungslosen Welt bringen. Nachdem sein Vater jedoch plötzlich stirbt, muss Charles die Verantwortung für seine Mutter, die kleine Schwester und den Großvater übernehmen. Mit einem Erbe und einem Versprechen im Gepäck, das gegen das zweite Gesetz verstößt: Die Sterne gehören dem Konsortium. Wer sie betrachtet, ist des Todes.“

Offen, philosophisch, aufklärerisch.

Mehr mag ich gar nicht verraten über dieses bemerkenswerte Buch. Überhaupt, es fällt mir schwer zu formulieren, was „Das Konsortium“ mit mir machte. Wie es auf mich wirkte. Es lässt sich in keine Schublade stecken. Überraschte mich mit Schreibstil und Erzählweise, Charakterentwurf und Buch-Design. Ich bin versucht, ihm den Stempel anspruchsvolle Jugendliteratur aufzudrücken. Doch nur weil die Protagonisten jung sind.

Junge Menschen, die auf ihrem Weg durch ein vorindustrielles Gaslight-Universum taumeln. Auf der Flucht. Auf der Suche. Es könnte eine Heldenreise sein. Ein Steampunk-Roman. Wilde Coming-of-Age Story und inspirierender Entwicklungsroman. Offen, philosophisch, aufklärerisch. Eine Analogie europäischen Kolonialismus und gewinnorientierter Technokratie. Sensible Comingout-Romanze. Poetisches Experiment. Literarisches Meisterwerk.

Wer will, kann tief in Atmosphäre und Welt treiben.

Rückseite des Romans „Das Konsortium oder Die ungenaue Zeit“ von Martin Gries

Nachdem mich Martin Gries‘ Kinderbuch „Käpt’n Waschbär und die Luftpiraten“ absolut begeisterte, wollte ich dringend mehr von diesem Menschen lesen. Also schenkte ich mir seinen Roman zum Weihnachtsfest 2020. Und las ihn wenig später. Dass ich ihn erst jetzt vorstelle, liegt vor allem daran, dass Rezensionsexemplare einfach Vorfahrt haben. Zusätzlich fürchtete ich, dass meine Worte nur unzureichend sein würden.

Wie soll ich beschreiben, dass ich fast ehrfurchtsvoll in der Sprache versank? Obwohl sie gewöhnungsbedürftig ist. Obwohl sie Aufmerksamkeit fordert. Und einen wachen Geist. Gerade deshalb. Dass ich staunend, Formulierungen und Ideen inhalierte. Dankbar für den frischen Wind, der durch die Seiten blies.

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„Das Vermächtnis der Vier“ von Christopher Tefert

Das Fantasy-Epos „Das Vermächtnis der Vier“ von Christopher Tefert lehnt an einer Backsteinwand. Vor dem Taschenbuch steht ein orangener Spielzeigdrache

Als Oni die ehrfurchtgebietende Stadt Windemere betritt, ahnt er nicht welch Abenteuer vor ihm liegen. Welch Gefahren. Welch lebensverändernden Begegnungen und Erkenntnisse. Er will doch nur seine Schafe verkaufen. Und seine Schwester retten.

Die wird beschuldigt Magie zu beherrschen. Was streng verboten ist. Im Namen der Götter. Deren Gesetze Priester und König scharf durchsetzen. Deren Regeln auch für Oni heilig sind. Doch muss der rechtschaffene Junge schnell einsehen, dass Recht und Gesetz nicht unbedingt die selbe Bedeutung haben. Dass die Welt viel komplizierter ist, als sie ihm in seinem beschaulichen Heimatdorf erschien. Und dass es nicht seine Schwester ist, die Magie wirken kann.

Das Abenteuer beginnt

Schon bald bringen Onis intuitiv angewandte Fähigkeiten ihn in Gefahr. Doch mit seinem guten Herzen gewinnt er genauso schnell Verbündete. Die ihn vor dem Tod bewahren. Wenn auch nicht vor dem Kerker. In dem er viele Monde ausharrt. Von allen vergessen. Bis ihn Prinzessin Trisha aus dem Loch befreit. Weil sie seine Hilfe braucht. Um einen Schwur zu erfüllen, den sie einem uralten Wesen gab.

Ja, und dann beginnt das Abenteuer eigentlich erst. Die beiden Helden bezwingen ihre Ängste. Erforschen ihre Kräfte. Treffen machtvolle Freunde und mächtige Feinde. Lernen sich zu vertrauen. Und lieben.

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„Herr Lundqvist nimmt den Helm ab“ von Jochen Weeber

Der Roman „Herr Lundqvist nimmt den Helm ab“ von Jochen Weeber

Dass sein Sohn Loris nicht alt werden wird, das weiß er schon lange. Doch alles Wissen dieser Welt hilft nicht. Darauf kann sich ein Vater nicht vorbereiten. Nun, das Ende rückt näher. Loris ist 15 Jahre alt und liegt mit Duchenne-Muskeldystrophie im Endstadium im Krankenhaus. Was macht ein Vater da?

Dieser Vater gibt sein Bestes! Um seinem Sohn noch einen großen Wunsch zu erfüllen. Und um seine Ehe zu retten. Er schreibt einen Brief. An seine Frau. Denn er liebt seinen Sohn. Über alles. Und er liebt seine Frau.

„Zwei Drittel aller Ehen zerbrächen nach dem Tod des Kindes, hieß es. Ich habe große Angst vor allem, was kommt. Und dass uns das am Ende auch passiert. Warum sind wir mittlerweile so weit voneinander entfernt? Dieser Brief hier ist meine Waffe. Und jeder Satz ist eine Ladung Patronen, die ich abfeuern möchte auf diese Krankheit und diese Statistik. Dieses beschissene Omen für uns beide.“ (Seite 23)

Voller Lebensfreude dem Tod ins Auge blicken

Rückenansicht des Buches „Herr Lundqvist nimmt den Helm ab“ von Jochen Weeber

Also schreibt er diesen Brief. Wenn seine Frau im Krankenhaus bei ihrem Sohn wacht. Schreibt seiner Frau von seinen Ängsten. Von seinen Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit als Paar. Als Familie. Berichtet von der Gegenwart. Von ihrem wundervollen Sohn. Der so stark ist. So weise. So voller Lebensfreude. Erzählt davon, wie er ihm noch einen letzten großen Wunsch erfüllt. Sammelt Momente. Versteckt sie im Klavier. Bis die Zeit reif ist.

Während ich hier sitze und noch einmal in dem schmalen Büchlein blättere, steigen sie unweigerlich hoch. Diese mit Gefühlen vollgesogenen Tränen. Aber das ist ok. Sie begleiteten mich schon beim Lesen. Sind alte Bekannte. Die bekunden, wie großartig ich das Gelesene fand. Wie nahe mir die Geschichte ging. Wie sehr ich diesen Vater mochte. Der so verzweifelt versucht, seinen Sohn glücklich zu machen. Diesen tollen Sohn, der das so wertschätzt. Der sein Leben so liebt. Diese Mutter, die ich so gut verstand. Die mir am Ende das Herz brach. Und heilte.

Von wahrer Liebe und großer Tapferkeit

„Herr Lundqvist nimmt den Helm ab“ ist ein Briefroman, der von wahrer Liebe erzählt. Der unbeschreiblichen, bedingungslosen Liebe zu seinem Kind. Und der romantischen, welche gepflegt werden will. Um die man sich kümmern muss. Sich bemühen. Beides rührte mich zutiefst. Auch ist es eine Geschichte ungeheurer Tapferkeit. Denn ich wüsste niemanden der tapferer wäre als Eltern, die ihr Kind überleben. Dabei versuchen weiter zu machen. Den Himmel zu sehen. Kraft zu finden.

Es ist ein kurzes Buch. Eine kleine Geschichte. Die mit Wucht über den Leser herfällt. Weeber schreibt unglaublich leicht über ein unfassbar schweres Thema. Begegnet dem Albtraum mit Humor und Poesie. Verharmlost dabei nichts.

Ich bin schwer beeindruckt und noch immer aufgewühlt. Obwohl ich nicht genau weiß, wem konkret ich dieses Buch empfehlen würde, empfehle ich es wild und dringend!

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„Und jeden Morgen das Meer“ von Karl-Heinz Ott

"Und jeden Morgen das Meer" von Karl-Heinz Ott

Nun steht sie hier. Auf den walisischen Klippen. Stemmt sich dem Tosen von Wind und Wellen entgegen. Kümmert sich um ein schäbiges, kleines Hotel. Dass höchstens in der Hauptsaison mal ausgebucht ist. Ansonsten tauscht sie nur wenige Worte mit den Stammgästen an der Theke. Oder wärmt Tiefkühlkost für Backpacker auf.

Dabei war Sie Hausherrin eines noblen Hotels am Bodensee. Ihr Mann Bruno ein Sternekoch. Die Größen aus Politik und Wirtschaft gingen bei ihnen ein und aus. Sie waren auf Monate ausgebucht. Doch… der Stern strahlte nicht ewig. Als Bruno ihn verlor, verlor er so viel mehr. Und Sonja geht es nun ähnlich. Ohne Bruno. Der starb. Jedoch schon vorher verloren ging.

Nun steht sie hier. Auf den walisischen Klippen. Stemmt sich dem Tosen von Wind und Wellen entgegen. Erinnert sich. Und denkt jedes Mal: „Ich könnte springen.“

Prägnante Erzählung

"Und jeden Morgen das Meer" von Karl-Heinz Ott

2018 durfte ich Karl-Heinz Ott lauschen, als er im Rahmen des Open Books Lesefestes während der Frankfurter Buchmesse aus seinem neuesten Roman „Und jeden Morgen das Meer“ las. Fasziniert von der schwermütigen Geschichte, seiner seelenwunden Protagonistin, der prägnanten Erzählweise und – natürlich – dem Meer, kaufte ich das Buch. Ließ es sogar signieren. Doch gelesen habe ich es erst letzten Sommer. Im zweiten Anlauf. Am Meer.

Es brauchte den richtigen Zeitpunkt. Die richtige Stimmung. Einerseits nahm mich Otts Stil sofort ein. Andererseits stieß mich Sternekochgattin Sonja irritierenderweise heftig ab. Dabei mag ich melancholische Gemüter. Fühle mich erinnerungssatten Charakteren normalerweise verbunden. Besonders, wenn sie neu beginnen. Mutig sind. Und das ist Sonja durchaus. Denn das Weglaufen, diese Flucht nach Wales, ist doch auch Kampfansage. An sich. An die Vergangenheit.

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„Die weltbeste Geschichte vom Fallen“ von Daniel Faßbender

„Die weltbeste Geschichte vom Fallen“ von Daniel Faßbender

Auf den Dächern über Stockholm fühlt er sich wohl. Fern des Trubels dort unten. Weit über den Problemen stehend. Die Dachkälte in den Knochen, die Freiheit fühlend. So kommt er gut zurecht. Doch dann lernt der Anfang 20-Jährige eine erstaunliche Frau kennen. Bojana!

Mit Bojana kommt Bodenhaftung. Kommt Verantwortung. Seine wachsende Bodenständigkeit bringt Wahrheiten ans Licht, die dem Roofer nicht behagen. Doch die Höhe bringt ihm keine Erlösung, keinen Abstand mehr. Er fällt.

Fein konstruiert und virtuos geschrieben

Wenn ich es nicht gerade noch einmal recherchiert hätte, ich würde es nicht glauben. Dass „Die weltbeste Geschichte vom Fallen“ Daniel Faßbenders Debüt ist. Die fein konstruierte und virtuos geschriebene Geschichte überraschte mich auf positivste Weise. Tiefsinnig, hintergründig und psychologisch doppelbödig verfolgte ich den Fall des kleinen Schweden. Begleitete ihn bei seinen Ausflügen und Ausflüchten. Dabei wie er wegrennt und sich zurückzieht. Sah seine Hoffnungen und Ängste. Blieb bis zum Schluss an seiner Seite.

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