„Anton und der Gargoyle“ von Jo Ellen Bogart und Maja Kastelic

Das Bilderbuch „Anton und der Gargoyle“ von Jo Ellen Bogart und Maja Kastelicvor einem Granitstein mit einem Gargoyle daneben.

Anton lebt mit seinen Eltern in einem gemütlichen Haus auf dem Land. Fotos von seinen Eltern und der Oma erinnern an eine Vergangenheit in Paris. Als das Paar zusammenkam. Die Zeit zu dritt begann. Aus jener Zeit stammt auch ein großer, eiförmiger Stein. Den Anton sehr liebt.

Doch eines morgens wacht Anton auf und…der Stein ist zerbrochen. Da ist etwas geschlüpft! Nur was? Nach der Schule entdeckt er das kleine Wesen. Ganz sanft lockt er es aus der Reserve. Erobert sein Zutrauen. Und sie werden beste Freunde.

Als er mit seiner Mama in einem alten Fotoalbum blättert, entdeckt er etwas Überraschendes. Seine Eltern posieren neben einer steinernen Statue. Einem Wasserspeier, der fast genauso aussieht wie sein kleiner Freund. Ist das vielleicht dessen Papa?

Voller Wärme und Liebe

Rückseite des Bilderbuches „Anton und der Gargoyle“ von Jo Ellen Bogart und Maja Kastelic

„Anton und der Gargoyle“ ist eine unter die Haut gehende Geschichte. Voller Wärme und Liebe. Und ganz ohne Worte. Dafür mit äußerst aussagekräftigen Illustrationen. Schon ganz am Anfang sehen wir eine Fotografie von Antons Mama vor Notre Dame stehend. In ihrem Armen: Der eiförmige Stein. Auf einem anderen Foto hält Kleinkind-Anton ihn. Insgesamt transportieren diese Fotos – in Rahmen, im Album oder per Brief zugesandt – eine Tiefe, wie es sonst nur viele wohlgesetzte Worte schaffen.

Genauso wie Mimik und Körpersprache der Charaktere. Die Bildsequenzen sprechen Bände. Die Gefühle springen über. Sowohl die Trauer des kleinen Wasserspeiers als er seinen Papa (oder Mama) im Fotoalbum sieht. Als auch die Sorge von Antons Mama, als sie erfährt, dass ihre Mutter im Krankenhaus liegt. Neugier, Freude, Zusammenhalt, Tapferkeit, Sehnsucht, Verständnis – das sind nur einige der großen Emotionen, welche die pastelligen Bilder vermitteln.

Vom Loslassen und Erinnern

Denn die Familie reist zur Oma nach Paris. Mit im Gepäck: Das Gargyle-Kind. Anton bringt es nach Hause. Zu seiner Familie. Auch wenn das für ihn bedeutet Abschied zu nehmen. Am Ende ergänzt ein weiteres Herzensbild die Fotogalerie. Eine weitere Erinnerung an einen Moment, der das Leben prägte.

Der Vizechef (6) verbrachte schon viele Stunden in Antons Zimmer und in Paris. Schwelgte für sich in der Geschichte. Mein Erstklässler liebt den putzigen Wasserspeier. Versteht die Zerrissenheit der beiden Freunde. Die zusammen bleiben wollen. Doch wissen, dass sie zu ihren Familien gehören. Und der Chef weiß: „Sie können sich ja besuchen!“

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„Der Totenkopf“ von Jon Klassen

Das Bilderbuch „Der Totenkopf“ von Jon Klassen in Herbstlaub vor einem Baum stehend

„Eines Nachts, mitten in der Nacht, während alle anderen schliefen, lief Otilla endlich weg.“

Ihre Flucht treibt sie bei Schnee und Kälte durch einen finsteren, unheimlichen Wald. Der sie straucheln und verzweifeln lässt. Doch das Mädchen rappelt sich auf. Findet eine Lichtung. Findet ein sehr großes, sehr altes Haus.

In welchem ein einsamer Totenkopf wohnt. Er heißt das hilfsbereite Kind willkommen. Teilt Erinnerungen und Andenken. Und ein Geheimnis. Denn Nacht für Nacht sucht ein kopfloses Gerippe das Haus heim. Will den Totenkopf erwischen. Nacht für Nacht flüchtet er. Will nicht gefangen werden.
Otilla schreckt das Skelett nicht. Sie bleibt beim freundlichen Schädel. Und nimmt sich seines Problems an.

Viel Raum für Interpretation

Rückenseite der Sagenerzählung „Der Totenkopf“ von Jon Klassen

Wie Otilla die Heimsuchung beendet, liest sich hart. Doch ist ihr Handeln schlicht logisch. Ergibt sich aus dem Verständnis, welches sie mit dem Totenkopf fast stillschweigend teilt. Dem Willen, nicht gefunden zu werden. Dem Wunsch nach Freiheit.

Der Leser kann nun darüber philosophieren, warum der Schädel denn nicht zum Gerippe möchte. Gehört er denn da nicht hin? Gehört Otilla nicht auch dorthin, woher sie weglief? Was tun wir, um uns von Altem, von Ungesundem loszulösen? Und überhaupt! Was bringt es, etwas nur zur Dekoration zu sammeln?

Ja, die Erzählung mit ihren gedankenreichen, düsteren Illustrationen bietet viel Raum für Interpretation. Doch können wir auch einfach mit Otilla das Ankommen genießen. Den trockenen Humor des Dialogs. Den freundlichen Schädel und sein großzügiges Heim. In dem mit dem Mädchen auch wieder Leben einzieht.

Von Konsequenz und Endgültigkeit

Im Nachwort erfahren wir, dass Jon Klassen in einer Bibliothek in Alaska über eine Tiroler Volkssage stolperte. Sie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Doch verwandelten seine Gedanken die Sage. Ganz absichtslos. Interpretierten sie neu. Was ihn sehr überraschte, als er nach einem Jahr das Original wieder in den Händen hielt.

Beide erzählen jedoch von einem starken Mädchen. Einem Mädchen, das fortläuft. Wohl, um sich zu retten. Und das bereit ist konsequent und endgültig zu handeln, um auch andere zu retten. Das Schicksal selbst zu lenken. Nichts dem Zufall zu überlassen. Eine starke Protagonistin für ein starkes Buch!

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„Was wir bauen – Pläne für unsere Zukunft“ von Oliver Jeffers

„Was wir bauen - Pläne für unsere Zukunft“ von Oliver Jeffers

„Was wollen wir bauen, du und ich?“ fragt der Papa seine Tochter. Und schon legen sie los. Bauen ein Haus. Die Zukunft. Raum für die Liebe und die Erinnerungen. Eine Festung gegen das Böse. Ein Tor für neue Freunde. Einen Turm in den Himmel, „den Tunnel ins Nirgendwo und die Straße zum Mond hin ebenso.“

Spätestens wenn Jeffers das Lagerfeuer für all die müden Abenteurer entzündet, ist sie da. Die Gänsehaut. Die Seiten dieses warmherzigen Bilderbuchs strotzen vor Fantasie, Kinder-Verständnis und Hoffnung. Aus jeder Szene tropft Herzblut.

Die Liebe eines Vaters zu seinem Kind. Sein Bestreben alles zu geben: Zeit, Geschichten, Geduld, eine Zukunft. Dabei zuzulassen, dass das Leben nicht perfekt ist. Besonders auch er selbst nicht. Beim Planen und Bauen das Leben dazwischenkommt. Das Leben etwas Neues eröffnet.

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