„Abbys Traum“ von Laurel Snyder und Kaleidoscube

Das Bilderbuch „Abbys Traum“ von Laurel Snyder und Kaleidoscube vor einer Backsteinmauer stehend, von Schnüren gehalten.

Im Zirkus wirbelt Abby durch die Manege. Jongliert seidene Bälle. Wirkt frei und wild. Während der Puppenspieler ihre Schnüren zieht. Niemand hier ist frei. Nach der Show landet das Mädchen im Käfig. Aber eines nachts gelangt sie an Schlüssel. Gelingt ihr die Flucht.

Sie streift durch das Land. Genießt ihre Freiheit. Aber immer noch halten sie Fäden. Fesseln sie Bande. Zwar geben sie Halt – schützen bisweilen auch – doch hindern sie Abby auch daran wirklich frei zu sein. Volle Verantwortung für ihr Handeln zu tragen. Ihren Weg unbeeinflusst zu nehmen.

Ausschnitt einer Innenseite des Bilderbuches „Abbys Traum“ von Laurel Snyder und Kaleidoscube

Sie will mehr. Entscheidet sich, immer weiter zu gehen. Mit den Jägern des Puppenspielers auf den Fersen. Die sie schließlich erwischen. Sie zurück in den Zirkus schaffen. In den Käfig. Der sie nicht länger halten kann.

„Sie bricht aus, […] und setzt die Welt in Flammen!“

Ohne den gewohnten Halt noch zittrig – doch nun wirklich frei – beginnt sie ein neues Leben. Voller Möglichkeiten.

Philosophische Traumbilder

Die Rückseite des Kinderbuches „Abbys Traum“ von Laurel Snyder und Kaleidoscube

Von der ersten Seite an stimmen Illustrationen und Text nachdenklich. Die kleine Marionette jongliert an Fäden hängend ihre Bälle. Doch auch Publikum und Zirkusdirektor binden Fäden. Selbst flüchtend halten sie Abby und ihre Häscher. Wer zieht sie? Was steckt dahinter? Wie sehr hängt Abby von ihnen ab?

„Abbys Traum“ ist mit seinem philosophischen Traumbildern kein Kinderbuch. Es ist Augenöffner und Gedanken-Trainer. Ich liebe Bücher, die Fragen stellen. Die unseren Geist fordern. Genau solch ein Buch ist „Abbys Traum“.

Ausschnitt einer Innenseite des Kinderbuches „Abbys Traum“ von Laurel Snyder und Kaleidoscube

Dennoch mögen es natürlich auch Kinder. Mein Vize (6) mag die Illustrationen. Er freut sich mit der kleinen Puppe über ihre Freiheit. Findet die Flucht aufregend und spannend. Die tiefgreifenden Fragen fasst er noch nicht. Anders dagegen mein Neunjähriger. Der blätterte das Bilderbuch mehrfach durch und machte sich so seine Gedanken.

Sehr gut könnte ich mir das Buch im Philosophie-Unterricht von höheren Klassen vorstellen. Besonders auch wegen der Hintergründe des Buches. Welche Teenies stark ansprechen dürfte.

Vom Game zum Buch

Denn mit „Abbys Traum“ erfüllte sich der Medien-übergreifende Verlag mixtvision selbst einen Traum. Nämlich die Geschichte eines Computerspiels in einem Bilderbuch zu erzählen.

„Abbys Traum“ von Laurel Snyder und Kaleidoscube weiterlesen

„Emilia und der Junge aus dem Meer“ von Annet Schaap

Eines meiner absoluten Lieblingsbücher der letzten Jahre erschien vor wenigen Wochen als Taschenbuch. Grund genug, es Euch noch einmal ans Herz zu legen: „Emilia und der Junge aus dem Meer“.

Das Romandebüt der niederländischen Illustratorin Annet Schaap ist ein herzerwärmendes modernes Märchen. Düster funkelnd und unglaublich atmosphärisch. Mit feiner Sprache, perfektem Spannungsaufbau und vielschichtigen Charakteren.

Und das ist die Geschichte:

Das moderne Märchen „Emilia und der Junge aus dem Meer“ von Annet Schaap als Taschenbuchausgabe

Jeden Abend entfacht Lämpchen das Feuer im Leuchtturm. Und jeden Morgen löscht sie es. Doch versunken in ihre Träumereien passiert es – sie versäumt es neue Streichhölzer zu besorgen. Durch das aufziehende Unwetter eilt sie über die schmale Landzunge ins Dorf. Besorgt die Schwefelhölzer. Aber der Sturm tost schon über die Küste. Viel zu stark für das kleine Mädchen. Fast ertrinkt sie. Ein Wunder, dass sie überlebt. Aber die Streichhölzer sind verloren! Der Turm bleibt dunkel. Ein Schiff zerschellt.

Der trunksüchtige, einbeinige Leuchtturmwärter ist der perfekte Sündenbock. Seine Tochter und er sollen für den Schaden aufkommen. Sieben Jahre lang müssen sie ihre Schuld abarbeiten. Der Wärter wird im Leuchtturm eingesperrt. Lämpchen dagegen soll im Schwarzen Haus über dem Meer schuften. Dort, wo ein Monster lebt…

Ja, es gibt Monster in diesem Buch

Rückseite der Taschenbuchausgabe des modernen Märchens „Emilia und der Junge aus dem Meer“ von Annet Schaap

Ach, was liebte ich Lämpchen. Dieses freundliche, mutige, hinter die Dinge blickende, starke Mädchen. Dessen Mutter viel zu früh starb. Das ihren Vater so bedingungslos liebt. Wie Kinder das nun mal tun. Obwohl er ein wortkarger, trübseliger Trunkenbold ist. Dem hin und wieder die Hand ausrutscht. Lämpchen könnte verbittert sein. Doch sie sieht das Schöne in allem. In jedem.

„Emilia und der Junge aus dem Meer“ erzählt von fehlenden Müttern und überforderten Vätern. Von Kindern, die ihre Eltern schmerzhaft lieben. Ihnen gefallen wollen. Von großen Ängsten und gewagten Entscheidungen. Vom Anderssein. Und vom Dazugehören.

„Emilia und der Junge aus dem Meer“ von Annet Schaap weiterlesen

Annet Schaap: Emilia und der Junge aus dem Meer

Annet Schaap: Emilia und der Junge aus dem Meer

Lämpchen zündet es jeden Abend an. Und sie löscht es jeden Morgen wieder. Das Feuer im Leuchtturm. Doch dann vergisst sie über ihre Träumereien neue Streichhölzer zu besorgen. Schnell noch eilt sie durch das aufziehende Unwetter über die schmale Landzunge zum Krämer im Dorf. Besorgt die unverzichtbaren Schwefelhölzer. Doch auf dem Rückweg tost der Sturm schon über die Küste. Viel zu stark, als dass das kleine Mädchen unversehrt zurück zum Leuchtturm gelangen könnte. Doch…doch, sie schafft es. Nur die Streichhölzer sind verloren! Der Turm bleibt dunkel.

Es kommt wie es kommen muss. Ein Schiff strandet. Ein Schuldiger wird gesucht. In dem trunksüchtigen, einbeinigen Leuchtturmwärter findet sich schnell ein Sündenbock. Er und seine Tochter sollen für den Schaden aufkommen. Er soll dafür arbeiten. Sieben Jahre lang. Er wird im Leuchtturm eingesperrt und muss sich fortan die lange Treppe hoch und runter schleppen. Denn Lämpchen wird ihm weggenommen. Auch sie soll sieben Jahre lang für ihr Versäumnis schuften. Im Schwarzen Haus über dem Meer. Dort, wo ein Monster leben soll…

Annet Schaap: Emilia und der Junge aus dem Meer weiterlesen