„Die Schokoladenfabrik – Die Tochter des Apothekers“ von Rebekka Eder

Der historische Roman „Die Schokoladenfabrik - Die Tochter des Apothekers“ von Rebekka Eder vor dem Bürgerhaus Stollwerck in Köln

Köln, 1838: Anna Sophia hilft ihrem Vater in seiner Apotheke, indem sie Hustenbonbons herstellt. Deren Rezept sie aus altem Heilwissen entwickelte, welches sie von ihrer Mutter und Großmutter erhielt. Und auch wenn die Kamellen nicht nur schmecken, sondern auch wirklich helfen – Ihr Vater darf auf keinen Fall erfahren, über welch Wissen seine Tochter verfügt. Geht dem alten Apotheker doch nichts über moderne Wissenschaft. Trotz ihres Geheimnisses ist Anna Sophia glücklich. Schließlich soll sie bald den galanten Gesellen ihres Vaters heiraten.

Doch als Bäcker Franz Stollwerck von seinen Wanderjahren in seine Vaterstadt heimkehrt, gerät das Leben der Apothekerstochter aus den Fugen. Der Freund aus Kindertagen wirkt erwachsen und stattlich. Außerdem beschleichen die junge Frau böse Ahnungen bezüglich ihres Verlobten…

Familienepos mit historischen Fakten

Rückseite des historischen Romans „Die Schokoladenfabrik - Die Tochter des Apothekers“ von Rebekka Eder

Diese Ahnungen sind nicht die einzigen, die Anna Sophia während der Geschichte haben wird. Ihre Visionen verleihen dem Historischen Roman einen mystischen Hauch, der mich durchaus ansprach.

Als gebürtige Kölnerin begeisterten mich auch die Details Kölner Stadtgeschichte (1838 bis 1849). Genauso wie die Hintergründe des Schokoladenfabrik-Gründer Stollwerck. Rebekka Eder verwebt eine Fülle feiner Fäden geschichtlicher Fakten in ihr fiktionales Familienepos. Und schafft so einen atmosphärischen Rahmen für mehr als eine wagemutige Liebesgeschichte.

Denn Anna Sophia ist nicht die einzige Frau in „Die Schokoladenfabrik – Die Tochter des Apothekers“, welche ihrem Herzen folgt. Auch ihre Schwester Wilhelmine bricht mit Konventionen. Wagt zur damaligen Zeit Undenkbares und rückt den Blick der Leser*innen auf die prekäre Situation der Frauen des 18. Jahrhunderts.

Neben diesen beiden starken weiblichen Hauptfiguren des Romans, folgen wir auch noch Kaspar Rockstroh. Einem herzensguten, jungen Mann aus dem Heimatdorf von Anna Sophias Mutter. Der ebenfalls seinem Herzen folgt. Ebenfalls Konventionen bricht. Und dabei vielleicht die größten und erschütterndsten Dramen des Buches erlebt.

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„Junge mit schwarzem Hahn“ von Stefanie vor Schulte

„Junge mit schwarzem Hahn“ von Stefanie vor Schulte

Seit er drei Jahre alt ist, lebt Martin allein am Rande des Dorfes. Seit sein Vater den Rest seiner Familie abschlachtete. Immer an seiner Seite: Ein schwarzer Hahn. Oder – wie die Dorfbewohner sagen – der Teufel. Doch die Dörfler sind im Allgemeinen nicht die Hellsten. Von daher interessiert den Jungen ihr Geschwätz nicht sonderlich.

„Gott ist überall, und Er ist unendlich. Und etwas von Seiner Unendlichkeit hat er auch in uns gesenkt. Unendlich viel Dummheit zum Beispiel. Unendlich viel Krieg.“ (Seite 15)

Als ein Maler ins Dorf kommt, um das Altarbild der Kirche zu malen, ist dem Elfjährigen schnell klar: Wenn der Maler weiter zieht, geht er mit. Denn er hat eine Aufgabe. Eine Berufung. Es ist sonnenklar. Auch der Hahn weiß von seinem Schicksal. Martin muss den Reiter finden, der Jahr um Jahr Kinder entführt.

„Martin folgt der Stimme des Hahns, die sanft und wohltönend, zugleich eindringlich und unausweichlich ist, als würde ein Gott ihm die Stimme leihen.“ (Seite 51)

Ein Lichtblick in all der Hoffnungslosigkeit

Dem Maler ist’s recht. Unbedingt will er dem schlauen, sanften Jungen helfen. Für ihn leuchtet das Kind. Es ist ein Lichtblick in all der Hoffnungslosigkeit. In all dem Elend. Martin strahlt rein durch alle Dreckschichten hindurch. Erhellt die dunkle Zeit. Blieb durch alle Grausamkeiten mild und voller Mitgefühl. Gäbe alles was er hat, um zu helfen.

„Wie soll das Kind überleben, wie soll die Moral bestehen zwischen diesen selbstgefälligen Männern und den giftigen Frauen?“ (Seite 60)

Dabei ist Martin nicht unschuldig. Nicht im herkömmlichen Sinne. Er weiß mit den Dörflern umzugehen. Genauso mit dem Abschaum, dem er auf seiner Reise begegnen wird.

„Mühsam ist das, immer wieder den gleichen Idioten zu begegnen. Als ob die Welt voll davon wäre, ganz gleich, wohin sich Martin auch wendet.“ (Seite 110)

Heldenreise durch dunkelste Zeiten

Rückentext meiner Leseausgabe des Romans „Junge mit schwarzem Hahn“ von Stefanie vor Schulte

Und doch bleibt sein Herz rein. Sein Verstand klar. Sein Ziel immer vor Augen.

„…und der Maler schreit das Kind an, ob es damit aufhören könnte, ein einziges Kind retten zu wollen, einer Mythe nachzujagen, wo um sie herum nichts als Tod und Elend ist. Alle gilt es zu retten, aber alle sind verloren. Doch Martin denkt anders. Ein gerettetes Leben ist alle Leben.“ (Seite 90)

So geht der Junge seine Heldenreise bis zum bitteren Ende. Watet durch Schlachtfelder und Unwetter, Durch Intrigen und den Egoismus der Menschheit. Wirkt auf jene, denen er begegnet. Weckt hier und da Gewissen. Säht dort den Samen der Aufklärung. Und fährt als Racheengel auf jene hernieder, die eitel, selbstsüchtig und monströs die Welt in Ketten legen.

„Warum muss er finden, was niemand finden will. Warum muss er wissen, dass die Menschen selbst schlimmer sind als alle Dämonen, vor denen sie sich grausen.“ (Seite 116)

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„Alles wird gut, immer“ von Kathleen Vereecken und Julie Völk

"Alles wird gut, immer" von Kathleen Vereecken und Julie Völk

„Das war das schönste Geschenk der Welt und wir hatten es einfach so bekommen. Es war die Welt selbst. Eine Blechkugel, fußballgroß, mit allen Ländern drauf.“

Alice und ihre Geschwister halten die ganze Welt in den Händen. Eine süße, verheißungsvolle Welt voller Vorfreude. Voller Leben und Schönheit. In Flandern im Sommer 1914.

Tantanna aus Brüssel ist sicher: „Es wird keinen Krieg geben.“ Und in der Hauptstadt weiß man Bescheid! Auch der Vater meint: „Das ist die sicherste Ecke Belgiens. Wenn nicht auf der ganzen Welt.“ Mutters „Alles wird gut,“ besiegelt die Zuversicht. Dennoch bewegen sich die Erwachsenen langsamer. Tuscheln. Werden nervös.

„Natürlich kamen sie zu uns“

Wenig später ziehen die ersten Flüchtlinge durch die Stadt. „Sie kamen mit Wagen voller Töpfe und Pfannen, Decken und Matratzen. Männer, Frauen und Kinder. Sie kamen aus der Richtung des Krieges…Natürlich kamen sie zu uns.“ Zum sichersten Ort der Welt.

Doch im Krieg bleibt kein Ort sicher. Er kommt auch zu Alice. Ganz nah. Greift mit grausamen Fingern in ihr Leben. In ihre Familie. Wird alles gut? Kann alles gut werden, wenn die Welt aus den Fugen gerät? Das Zuhause verloren scheint? Nichts mehr sicher ist? Alice jedenfalls findet ihren Weg. Auf ihm auch immer wieder Hoffnung. Alles wird gut, immer! „Jedenfalls so gut wie.“

Schwerelos-poetische Sprache

"Alles wird gut, immer" von Kathleen Vereecken und Julie Völk

Alice erzählt uns ihre Geschichte in leichten, kindlichen Sätzen. Fast unbeschwert berichtet sie von Kriegsgräueln und Flucht. Wenn wir mit ihr Giftgas und Granatenhagel durchleben, bleibt die Zuversicht. Die Hoffnung. Alice stellt gar nicht die Frage, ob es weitergeht. Es muss. Was sonst. Alles wird gut, immer!

Dabei legt Kathleen Vereecken ihrer Protagonistin eine bildreiche, schwerelos-poetische Sprache in den Mund. An der wir uns festhalten können. Die ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Trotz Gänsehaut, Schockmomenten und Tränen.

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„Das Mädchen aus der Severinstraße“ von Annette Wieners

„Das Mädchen aus der Severinstraße“ von Annette Wieners

Maria möchte doch nur ihr Leben leben. Als Fotomodell Karriere machen. Eigene Entscheidungen treffen. Doch ihr Vater stellt sich quer. Dennoch bewirbt sich die 17-Jährige bei einem Foto-Atelier in Düsseldorf. Nimmt an einem Shooting teil. Wobei sie entdeckt wird. Als das frische Gesicht der reichsdeutschen Mode.

Viele Jahrzehnte später findet Marias Enkelin Sabine in Marias Haus Geld und Gold. Versteckt unter Teppich und Vertäfelung. Was hat es mit diesem Reichtum auf sich?

Das Mädchen aus der Severinstraße“ – für mich ein Muss

„Das Mädchen aus der Severinstraße“ von Annette Wieners

Ich wohne zwischen Severinstraße und Rheinufer. Meine Familie ist so kölsch wie der Dom.Das Mädchen aus der Severinstraße“ war für mich ein Muss. Doch leider wurde ich nicht warm mit diesem Mädchen.

Zu weinerlich, egoistisch und naiv war mir die Jugendliche. Die so fixiert auf ihren Traum ist, dass sie nichts anderes wahrnimmt. Ihrem Vater wild pubertierend Blindheit und Kontrollsucht vorwirft. Die alle Menschen um sich herum immer wieder in Gefahr bringt. Mit schlimmen Folgen.

Schließlich schreiben wir das Jahr 1937. In Köln herrscht euphorische Pro-Hitler-Stimmung, die ihres Gleiches sucht. Im sozialistisch-kommunistisch geprägten Severinsviertel sind die Nazis omnipräsent. Zeigten Stärke und greifen früh hart durch. Doch Maria will flanieren. Übt Posen. Will berühmt werden. Sich verlieben. Zeitung liest dieses Gör nicht. Außer natürlich ihre Modeheftchen.

War mir alles ein wenig zu viel

„Das Mädchen aus der Severinstraße“ von Annette Wieners
Stollwerckmädchen mit Buch (auf der Severinstraße)

Das Gejammer der jungen Maria ertrug ich nur schwer. Doch immerhin verstand ich sie. Irgendwie. Dagegen blieb mir die hochbetagte Maria fern. Genauso wie ihre Enkelin. Die ihre eigenen Probleme noch auf die Geschichte draufpackt.

Der Erzählstrang um Sabine hätte es für mich nicht gebraucht. Als kleiner Rahmen vielleicht. Als Auslöser für die Erinnerungen. Doch insgesamt rissen mich die Episoden um die überambitionierte Sozialarbeiterin immer wieder raus.

Ihre Vergangenheit als Mobbingopfer in einer Kölner Behörde. Die zarten Bande, die sie knüpft. Während ihrer Recherche über den Großvater. Mit einem Angestellten der ehemaligen Nazi-Firma, für der ihr Opa arbeitete. Das war mir alles ein wenig zu viel.

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