Der kleine Igel spaziert die Dorfstraße entlang. Dabei sieht er einen Hund, der von einem Jungen gestreichelt wird. In einem Garten streichelt ein Mädchen eine Katze. Auf einem Feld streichelt ein junger Mann ein Pferd. Als der kleine Igel sieht, wie glücklich diese Tiere sind, beneidet er sie sehr. Warum streichelt ihn keiner?
Wie der Igel so traurig auf der Erde hockt, findet ihn eine Maus. Und erklärt ihm, dass auch sie niemand streichelt. Weil sie kein Haustier ist. „Wildtiere streichelt man nicht. Man fürchtet sie.“ So einfach ist das. „Na, dann ist es ja gut“, sagte der kleine Igel.
Der Igel erkennt, dass es ok ist, wie es ist. Ist nicht mehr traurig. Auch er bleibt nicht allein. Maus und Igel werden Freunde. Genießen ihr Wildtierleben.
Für den einen gut, für den anderen nicht
Soweit eine sehr putzige Geschichte. Dem Vize gefiel sie jedenfalls sehr gut. Zunächst hätte er den Igel gerne getröstet. Gestreichelt. Na klar! Doch als die Maus dem Igel erklärt, dass er sich von den Streicheltieren unterscheidet, war das für meinen Vierjährigen genauso klar, wie für den Igel selbst. Ist halt so. Was für den einen gut ist, muss es nicht für den anderen sein.
An sich ja auch eine klasse Botschaft. Auch ist es sinnvoll, Kindern den Unterschied zwischen Wildtieren und Haustier zu erklären. Ihnen zu zeigen, dass Igel und Maus keine Kuscheltiere sind. Sie sie besser in Ruhe lassen. Gerade Stadtkinder haben da durchaus Aufklärungsbedarf.
Wildtiere sind keine Haustiere
Doch finde ich es schwierig in einem Kinderbuch zu zeigen, dass nicht alle dazugehören können. Genauer: Dass Unterschiede in Herkunft oder Fähigkeiten dazu führen, dass Individuen unterschiedliche Rechte haben. Unterschiedliche Möglichkeiten im Leben geboten bekommen. Besonders, wenn die Tiere dann eben doch nicht als realistische Wildtiere dargestellt werden, sondern sich mit Kuscheltieren trösten. Zusammen Tee trinken und Freundschaften schließen, die es in der Natur so wohl auch nicht gibt.
Aber: Weder Vize noch Chef (8) erkennen in dem Bilderbuch diese Problematik. Auch der Mann (43) sieht das nicht so wie ich. Deswegen triggert das Kinderbuch mich da wohl sehr persönlich. Wenn der Vorleser es nicht thematisiert, wird das Zielpublikum wahrscheinlich nur die schöne Botschaft sehen. Dass es voll ok ist anders zu sein. Dass nicht jeder mit dem Selben glücklich sein kann und muss.
Ein Bilderbuch mit Charakter
Dazu regen die Illustrationen die Fantasie an. Die Pastellkreide wirkt griffig. Fast denkt man, den groben Untergrund fühlen zu können. Immer wieder schummelt sich der Stoff hinter dem Bild ins Licht, verleiht der Landschaft Struktur. Den Bildern Charakter.
So ist es denn insgesamt ein besonderes Kinderbuch. Das hier auch die Großen zur Diskussion anregte und die Kleinen mit seinen griffigen Bildern auf einen Landausflug mitnahm.
Ich danke dem Diogenes Verlag für unser kostenloses Rezensionsexemplar.
Titel: Warum den Igel keiner streichelt
Originaltitel: Pocemu eschika nikto ne gladit
Geschrieben von: Andrej Kurkow
Illustriert von: Tania Goryushina
Aus dem Russischen übersetzt von: Angelika Schneider
Genre: Kinderbuch, Vorlesebuch, Bilderbuch, Bücher für Kindergartenkinder
Themen: Tiere, Igel, Natur, Herbst, russische Bücher
Format: Hardcover, 36 Seiten
Verlag: Diogenes Kinderbuch
Erscheinungstermin: 24. März 2021
ISBN: 978-3-2570-1286-6
Preis: 14 €
Altersempfehlung des Verlags: ab 4 Jahren
„Warum den Igel keiner streichelt“ beim Verlag: Zum Buch
Andrej Kurkow auf Instagram: @kurkov573
Tania Goryushina im Netz: Besuch die Illustratorin
Tania Goryushina auf Instagram: @tania_goryushina
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