„Victor Flec: Jagd durch die Stadt der Geister“ von Angela Kirchner

Der Kinderroman „Victor Flec: Jagd durch die Stadt der Geister“ von Angela Kirchner

Verschusselt, tollpatschig und ein absoluter Geister-Fan – das ist Victor Flec. Vor einem halben Jahr zog er in die Stadt. Und kann sein Glück noch immer kaum fassen. Denn hier liegt das größte Ghostend weltweit. Dabei gibt es nur sechs Geisterviertel überhaupt. Und es kommt noch besser: Victor darf sogar für einen Geist arbeiten. Darf für den gewitzten Geistergreis Albert Botengänge zwischen den Wesen machen, welche vor über 50 Jahren aus der Lücke kamen. Niemand weiß weshalb oder woher. Fest steht, dass sie aus unterschiedlichsten Zeiten und den verschiedensten Regionen stammen.

Als Vic während einer seiner Botengänge für Albert im Ghostend mit dem Gangster-Boss Lex Cordicio zusammenstößt, bringt das sein Leben ganz schön durcheinander. Zusammen mit seiner Freundin Ciel Moon steckt er bald bis über beide Ohren in Problemen.

Ungeheuer reizvolles Szenario

Anfang des Jahre wählte der Chef (9) „Victor Flec“ endlich als Vorlesebuch für uns zwei. Zu meiner Freude. Denn ich war schon lange sehr gespannt auf diese ganz besondere Geistergeschichte.

In der die Geister eigentlich ganz normale Menschen sind. Mit Handicaps. Wir uns an sie gewöhnt haben. Auch wenn sie noch immer nicht als gleichwertig akzeptiert werden. Die leidliche Angst vor dem Anderen ein Miteinander behindert. Das Szenario fand ich ungeheuer reizvoll.

Mitreißende Truppe voller Gegensätze

Rückseite des Kinderbuches „Victor Flec: Jagd durch die Stadt der Geister“ von Angela Kirchner

Nachdem wir in die Geschichte eingestiegen waren, gab es für meinen Großen kein Halten mehr. Auch ihn faszinierte das Setting sehr. Zusätzlich fühlte er sich zwischen den Charakteren sehr wohl. Der tollpatschige Victor brachte uns mit seinen Missgeschicken regelmäßig zum Lachen. Er ist ganz klar Sympathieträger und unser Favorit. Was auch an seiner Gabe liegt, spezielle Gegenstände aufzuspüren. Sogenannte Wandelinge. Die besondere Fähigkeiten besitzen.

Doch auch den Rest der Truppe mochten wir. Die mutige, clevere Ciel Moon. Die als Menschenkind zwischen Geistern aufwuchs. Genauso wie das gewiefte Geistermädchen Nunzia. Dagegen hatte es Mafia-Nachwuchs Nemo schwer den Chef von sich zu überzeugen. Allerdings war mein Viertklässler flotter auf seiner Seite, als seine Protagonisten-Kollegen. 😉

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„Das Pferd ist ein Hund“ von Tamara Bach

Der Roman „Das Pferd ist ein Hund“ von Tamara Bach auf einer Treppenstufe stehend

Was für ein Winter! Es ist so kalt, dass die Politiker entscheiden: Schulen und KiTas bleiben geschlossen. Alte und Kinder sollen zu Hause bleiben. Auch Clara und ihre kleine Schwester Luze trifft dieser behördlich angeordnete Hausarrest. Was anfangs ganz nett ist. Wie Wochenende. Doch per Online-Unterricht muss natürlich trotzdem gelernt werden. Sowieso, den Kindern fällt schnell die Decke auf den Kopf.

Die Erwachsenen zerreißen sich zwischen Heimarbeit und Kinderbetreuung. Laufen gereizt durch die Gegend. Wollen nicht gestört werden. Denn Erwachsensein ist auch echt nicht so lustig, wie man so denkt.

Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, zog Luzes bester Freund weg. Der wohnte in der Wohnung direkt gegenüber. Seit er fort ist, redet sie kaum noch. Dabei plappert und singt sie sonst ununterbrochen.

Mit dem Pferd durch die Kälte

Auch Clara hat’s schwer. Sie scheitert daran den schönsten Jungen der Welt zum Lachen zu bringen. Der heiß Vincent, ist etwas älter als sie und lebt mit seinem Vater in der Wohnung über ihnen.

Naja, immerhin hat Luze ja ihren Hund. Also: Das Pferd. So heißt der nämlich. Und der ist unsichtbar. Und kann auch ganz schön viel. Welch Glück! Durch das Pferd und die famose Idee ein Video zu drehen, kommen sich die Kinder des alten Mietshauses näher. Wodurch irgendwie alle Bewohner ein wenig mehr zusammenrücken. Und durch Nähe wird es wärmer. Soviel ist klar.

Clara schüttet ihre Gedanken aus

Der Rücken des Kinderbuches „Das Pferd ist ein Hund“ von Tamara Bach

„Sankt Irgendwas“ war mein erstes Buch von Tamara Bach. Und es begeisterte mich sehr. Deswegen hatte ich hohe Erwartungen an „Das Pferd ist ein Hund“. Was ja eher nicht so gut ist. Weswegen ich mich ein wenig vor der Lektüre drückte. Was vollkommen unnötig war! Denn Bachs neues Buch lässt sich mal so gar nicht dem vorherigen vergleichen. Wieder war ich sehr begeistert. Sowas von!

Ich las den Roman in einem Rutsch. Stolperte ich anfangs noch ein wenig über Claras Erzählstil, glitt ich schnell flüssig durch ihre Worte. Lauschte der Schülerin wie sie ihre Gedanken ausschüttet. Wie sie von ihrer kleinen Schwester und deren unsichtbaren Freund erzählte. Von ihrem Schwarm Vincent, der einfach nie lächelt. Den sie so unbedingt zum Lachen bringen will. Sie erzählt von ihrer Mutter, von ihrem Vater und von Luzes Vater. Und von ihren Nachbarn.

Alle haben hier ihr Zuhause

Welche die unterschiedlichsten Lebenswege hinter sich haben. Aus verschiedensten Biographien plaudern. Und doch alle in diesem Haus gelandet sind. Ob Patchwork-Familie, Alleinerziehende, junges Paar, altes Ehepaar, Single-Ladys oder Langzeitjunggeselle – alle haben hier ihr Zuhause. Alle gehören genau hier hin.

Mit welch feinen Blick Tamara Bach auf die Lebenswelt der Kinder schaut, beeindruckt mich sehr. Ihre Charaktere sind unglaublich authentisch. Ihre Sätze so echt. Die Kinder so weise. Wie Kinder eben sind. Die glauben noch, dass man alles reparieren kann. Nein – sie wissen es! Und machen‘s dann einfach.

Wir Großen sollten ihnen viel öfter viel aufmerksamer zuhören. Tamara Bach scheint es zu tun. Ich wünsche ihrem Roman (empfohlen für Kinder ab zehn Jahren) ganz viele erwachsene Leser. Denn die haben es oft ganz schön nötig, durch Kinderaugen zu schauen. Um vieles (neu) zu lernen. Von mir gibt’s deswegen eine dringende Leseempfehlung für alle Menschen. Besonders vielleicht für die Älteren.

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„Calypsos Irrfahrt“ von Cornelia Franz

"Calypsos Irrfahrt" von Cornelia Franz

„Das Meer glitzerte spiegelglatt im Sommerschlaf. Vielleicht war es ihm zu heiß, um sich zu bewegen.“ Auch Oscar ist es zu heiß. Und zu langweilig. Warum nur konnten sie nicht seinen besten Freund mitnehmen. Nun sitzt er hier ganz allein mit seinen Eltern und Hundeseniorin Lucy auf einem Segelboot. Mitten im endlosen Blau des Mittelmeers. Und das noch mehr als drei Wochen.

Nur wenige Stunden später kann von Langeweile keine Rede mehr sein. Denn Lucy spielt plötzlich verrückt. Hört nicht auf zu bellen. Bis auch ihre Menschen die beiden Kinder entdecken. Die sich mit letzter Kraft an den rot-weißen Rettungsring klammern.

Calypsos Irrfahrt: Wohin führt die Odyssee

Beherzt retten Oscars Eltern die beiden. So landen Nala und ihr kleiner Bruder Moh auf dem Boot der deutschen Urlauber. Nach und nach wir klar: Die Kinder haben schon eine schreckliche Odyssee hinter sich. Mit ein paar Brocken Französisch, Wasserfarbbildern und Nalas großem Sprachtalent erfährt die Familie von ihrer traumatischen Flucht.

In jedem Hafen versuchen Oscars Eltern nun, die Flüchtlingskinder unterzubekommen. Doch mit den dunkelheutigen Kindern dürfen sie in den meisten Häfen noch nicht einmal an Land.

Weder in Griechenland noch in Italien will man die Verantwortung übernehmen. Erst in Spanien keimt die Hoffnung, eine Lösung zu finden.

Gänsehautliteratur

"Calypsos Irrfahrt" von Cornelia Franz

Oha! Cornelia Franz erwischte mich kalt mit ihrer modernen Odyssee. Die Gänsehaut, die „Calypsos Irrfahrt“ bei mir auslöste, blieb lange. Stellt sich beim Schreiben dieser Zeilen wieder auf. Prompt kehrt das Frösteln zurück. Das Unwohlsein.

Zusammen mit der Familie saß ich auf der Calypso fest. Ärgerte mich mit den Eltern darüber, dass der Jahresurlaub nun so anders wurde. Doch ja, verdorben wurde. Auch wenn wir es den Kindern natürlich niemals zeigen würden. Gute Mine zum bösen Spiel machen. Das tun, was nötig ist.

Gewöhnte mich mit ihnen an die traumatisierten Kinder. Gewann sie lieb. Machte mir Sorgen. Wollte sie in den Arm nehmen. Ein Zuhause suchen. Sie gar mit zu mir nach Hause nehmen. Doch…das geht doch nicht!…

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Leipziger Buchmesse 2016: Aufforderung zur Schamlosigkeit

Ein absolutes Highlight meines Messe-Freitags war die Veranstaltung "Kinder- oder JugendbuchautorIn werden" der Akademie für Autoren. Akademie-Gründerin Maria Koettnitz interviewte die erfolgereiche Kinder- und Jugendbuchautorin Claudia Schreiber.

Kinder- oder JugendbuchautorIn werden.
Claudia Schreiber erzählt zum Thema: „Kinder- oder JugendbuchautorIn werden“

Sehr lebendig, authentisch und nahbar erzählte Claudia Schreiber über ihre Erfahrungen. Und die Wahlkölnerin hat viel zu erzählen. Als sie in den 90ern als Journalistin in Moskau lebte, schrieb sie ihr erstes Kinderbuch „Sultan und Kotzbrocken“. Sie schickte ihr Manuskript an genau einen Verlag. Weil sie diesen toll fand. Dann passierte nichts. Bis sich der Verlag nach drei Jahren bei ihr meldete. Er würde ihr Buch gerne veröffentlichen. Verrückt! Seitdem ist sie im Hanser-Verlag zu Hause und neben den zwei „Sultan und Kotzbrocken“-Büchern veröffentlichte Schreiber mittlerweile mehrere Kinder- und Jugendbücher. Ihr letzter Jugendroman mit Bestseller-Potential („Solo für Clara“) ist gerade erschienen. Ein richtiges Autorenmärchen.

Für die angehenden Autoren im Publikum hatte Claudia Schreiber einige spannende Ratschläge parat. So käme das Wort Kotzbrocken bei Erwachsenen zwar manchmal nicht so gut an, Kinder hätten damit aber gar kein Problem. Kotzbrocken, Popo und Mist – für Kinder ein Heidenspaß! Ein paar Kraftausdrücke einbauen, scheint aber keine sichere Bank. Als studierte Pädagogin wisse sie zwar grundsätzlich, wie Kinder funktionieren, das würde beim Schreiben aber nichts nutzen. Das Schreiben eines Kinderbuches sei schwerer als das Schreiben von Büchern für Erwachsene. Das Publikum sei kritischer. Wenn die Geschichte nicht packt, zeigen Kinder es direkt. Sowieso gälte: Das Manuskript sollte immer wieder am Zielpublikum getestet werden. Also Kinder schnappen und vorlesen, vorlesen, vorlesen. Bis sie begeistert sind. Erst dann ist die Geschichte reif für einen Verlag. Leipziger Buchmesse 2016: Aufforderung zur Schamlosigkeit weiterlesen