Der 15-jährige Adib flüchtete mit seiner Familie aus Afghanistan. Nach einer traumatischen Odyssee gelangte er nach Berlin. Dort lernt er den 70 Jahre älteren Karl kennen. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten und doch verbindet sie etwas. Denn auch Karl war ein Flüchtling. Als er so alt war wie Adib vertrieben ihn die Besatzungskräfte aus seiner schlesischen Heimat. Nach seiner eigenen Odyssee landete er – wie Adib – in Berlin. Dieses Band (und die Faszination für die Sterne) verbindet den alten Mann und den Jungen.
Das Schicksal der Sterne des Wahlberliners Daniel Höra ist ein unglaublich aktuelles wie zeitloses Buch. Es packte mich auf den ersten Seiten und hielt mich bis zur letzten gefangen.
Abwechselnd erfahren wir von Adibs und Karls Flucht und von den aktuellen Vorkommnissen. Höra schildert die Erfahrungen der beiden Jungen schmucklos und sehr realistisch. Mehrfach brachte ich Mitreisende in der Bahn in Verlegenheit, weil mir die Tränen über das Gesicht liefen.
Zu sehr nahm es mich mit, was da geschah. Wie unglaublich grausam Menschen zu anderen Menschen sein können. Was Flüchtlinge auf ihrem Weg alles in Kauf nehmen müssen. Welchen Gefahren sie sich aussetzen. Das Mütter ihre Kinder verlieren. Familien auseinandergerissen werden. Hoffnungen zerstört werden.
An die Menschheit glauben – auch wenn es schwer fällt
Noch mehr nahm es mich mit, weil ich wusste, dass genau in diesem Moment genau solche Sachen passieren. Nicht nur die Schilderungen von Adibs und Karls Flucht brachten mich zum Weinen, auch das Geschehen in der Gegenwart trieb mir immer wieder das Wasser in die Augen. Die besorgten Bürger, die den Menschen, die durch die Hölle gegangen sind oft nicht bloß Misstrauen entgegenbringen, sondern auch handgreiflich werden.
Die Realität, dass manch einem nichts übrigbleibt, als negative Erwartungen zu erfüllen. Und immer wieder die einfühlsamen, mutigen oder selbstlosen Taten Einzelner, die mich rührten und den Glauben an die Menschheit wachrüttelten. Denn auch das ist realistisch. Bei allem was geschieht, die Hoffnung bleibt.
Schonungslos und grundrealistisch
Das Schicksal der Sterne ist ein ehrlicher, schonungsloser, grundrealistischer Jugendroman, der keinen Wert auf politische Korrektheit und Vergangenheitsbeschönigung legt.
Die Charaktere berichten aus ihrer Perspektive. So sind die Franzosen für Karl der Erbfeind, andere Flüchtlinge für Adib nervig. Halbstarke Haudegen benötigen hier unter Umständen ein paar Erklärungen, damit es nicht (schon wieder) zu Missverständnissen kommt. Grundsätzlich traue ich es den meisten Kids ab 14 Jahren aber zu, den Wortlaut und die geschichtlichen Gegebenheiten korrekt einzuordnen.
Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch in Jugendgruppen, Bücherklubs oder gar im Deutschunterricht gelesen werden würde. Denn lehrreich ist es allemal, auch wenn nicht jeder – wie ich – in Tränen ausbrechen wird.