Das Rot fiel mir sofort auf, als mein Auge über die Buchrücken im Regal der örtlichen Club-Filiale schweifte. Blutrot. Meine Hand griff danach. Meine Sinne reagierten. Alarmrot. Der Rückentext sprach mich an. Und so durfte mich das Jugendbuch Erebos nach Hause begleiten. Und Ursula Poznanskis Computerspiel-Thriller hielt mich von der ersten Seite an gefangen. Hypnotisch Rot.
Eine geheimnisvolle CD
An Nicks Schule gehen seltsame Dinge vor. Immer mehr Schüler melden sich krank, wirken abwesend, verbergen etwas. Eine geheimnisvolle CD wandert von Hand zu Hand, doch niemand spricht darüber. Auch Nicks Freund Colin hat plötzlich keine Zeit mehr, entfremdet und verändert sich. All das weckt Nicks Misstrauen …und Neugier.
Endlich erhält auch er die dubiose CD. Eine CD mit einem Computerspiel – „Erebos“! Und dieses Fantasy-Abenteuer beeindruckt auch ihn ungemein, zieht ihn in seinem Bann. Nicht nur, dass Nick mit seiner Spielfigur online mit anderen Spielern aufregende Kämpfe erlebt, das Spiel scheint von einer künstlichen Intelligenz beseelt, die mehr weiß und sieht als es möglich scheint.
Ein nachtragenes Spiel
Doch Erebos begnügt sich nicht mit seinem virtuellen Rahmen. Die Spielzüge betreffen auch die reale Welt. So erhält Nick verschiedene Aufträge, die zunächst harmlos wirken. Die meisten Aufträge ergeben für Nick keinen Sinn. Als das Spiel ihn jedoch dazu auffordert, das Leben von jemandem zu gefährden, damit vielleicht sogar einen Mord zu begehen, weigert er sich. Und verspielt sich damit den Zugang zu seiner liebgewonnen Fantasy-Welt. Denn das Spiel ist nachtragend.
Aber noch immer ist Nick süchtig nach dem Adrenalinkick seiner Online-Abenteuer. Mit allen Mitteln versucht er, wieder einzusteigen. Erfolglos. Erst als sein bester Freund lebensbedrohlich verunglückt, wacht er auf. War es wirklich ein Unglück? Was verbirgt sich in Wahrheit hinter „Erebos“? Worauf läuft das alles hinaus?
Ein packender Thriller
Poznanski schuf mit Erebos einen unglaublich packenden (Jugend-)Thriller. Mit flüssigen, einfachen, jugendlichen Sätzen zieht die Wienerin ihre Leser in die Geschichte. Misstrauisch begleitete ich Nick, wie er den Grund der seltsamen Vorkommnisse erforscht. Gebannt folgte ich ihm in die Welt von Erebos. Gespannt entdeckte ich immer mehr Puzzleteile und versuchte sie zusammenzusetzen.
Ich las in jeder freien Minute – in der Bahn, in der Badewanne, im Bett. Doch das entspricht nicht der ganzen Wahrheit. Denn parallel war ich ebenso verzaubert von meinem neuen Playstation-Spiel. Ein Fantasy-Abenteuer. Gleichzeitig „süchtig“ nach diesem Spiel und Erebos zu sein, das war mehr als surreal und verstärkte das Leseerlebnis für mich ungemein. Machte das Vorgehen im Buch für mich greifbar. Ich erwischte mich dabei, dass ich dieses intelligente Spiel mit der unglaublichen Grafik selber spielen will. Gruselig.
Eine logische Story
Im Gegensatz zu vielen anderen Thrillern empfand ich das Verhalten des Protagonisten als absolut logisch und nachvollziehbar. Als erwachsene Leserin sehe ich manche Dinge zwar anders als Nick, wäre zur Polizei gegangen, hätte früher mehr Fragen gestellt, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Jugendliche so handeln würden wir er.
Auch die Story macht Sinn. Besonders mit Blick auf die Realität. Menschen vergessen ihre Umgebung vollkommen wenn sie spielen. Nicht wenige verlieren den Bezug zur Realität – zumindest vorübergehend. Das Schnitzeljagd-Konzept, in dem im Online-Spiel Aufgaben für die „echte“ Welt vergeben werden, existiert schon lange. Selbst die künstliche Intelligenz des Spiels erscheint möglich.
Keine Schwarz-Weiß-Bilder
Zugutehalte möchte ich Poznanski auch, dass sie kein Schwarz-Weiß-Bild malt. Zwar muss jeder mit seinen Handlungen leben und sich (irgendwie) für das verantworten, was er getan hat. Aber nicht jeder wird vor den Kadi gezerrt, nicht jeder an den Pranger gestellt. Wer Böses tut, ist nicht immer böse. Das Leben ist nicht immer gerecht und Menschen oft unberechenbar.
Packend, faszinierend, logisch und flüssig – Erebos ist ein unglaublich spannendes Jugendbuch, dass sich auch Erwachsene nicht entgehen lassen sollten.