„freilaufende dichterinnen“ von Martin Gries

Der Kugendroman „freilaufende dichter*innen“ von Martin Gries vor einem mit Bilderrahmen und Ranken bemalten Pappkarton

Jedes Jahr feierte Ellen ihren Geburtstag mit ihren Freund*innen. Jedes Jahr war eine*r mehr dabei. Immer war es etwas Besonderes. Groß und wundervoll. Doch dieses Jahr feiert Ellen nicht mit 15 Gästen. Sie feiert gar nicht. Denn nachdem ihre Eltern sich trennten, ist das Geld knapp. Mit Vater K. zog sie in eine winzige Wohnung. In ein anderes Viertel. Sie muss auf eine andere Schule. Ist raus. Ist weg. Am Ende.

ohne strom
ein teenager hört sich denken

Sie stolpert über ein Haiku. Mit Wachsmalkreide auf einen Gully geschrieben. Das Ende ist vielleicht Anfang. Zumindest findet sie mehr. Mehr Gedichte. Auf der Straße. Im Briefkasten. In Blumenbeeten. Mit Hilfe. Denn die Verse verbinden. Zuerst ist da Paul. Der achtjähriger Poesie-Detektiv platzt in Ellens Leben. Zerrt sie hinaus. Zu Frau Roosen. Röschen. Alt, aber lang nicht verwelkt. Zusammen forschen sie nach Gedichten und Dichterinnen.

Selbstermächtigend und bewusstwerdend

Rückenseite des Jugendbuches „freilaufende dichter*innen“ von Martin Gries mit Rückentext

Ich verstand Ellen so sehr. Ihr Verlorensein. Ihre Neulebenverweigerung. Ihre ganzen Vermissungen und ihre Sturheit. Das Verbuddeln, Rotzige, Trotzige. Die Enttäuschung und Wut. Ihre Verliebtheit und das offene Egal. Verwirrungen und Sicherheit. Ellen zu begleiten, wie sie langsam Wege beschreitet, Möglichkeiten sieht, Menschen sucht, sich findet – das fühlte sich vertraut an. Fühlte sich aber auch neu an. Spiegelte Poesie und Jugend in mich hinein. Ließ Saiten klingen, die lang nicht klangen.

Ellen verliebt sich in Worte, in Handlungen, in Blicke. Denkt nicht in Geschlechtern, sondern mit offenem Herzen. Gar nicht mal mutig. Einfach selbstverständlich. Menschen liebend. Sie bewegt sich selbstermächtigend und sich bewusstwerdend durch das neue Viertel. Und weit darüber hinaus. Bis hin zurück.

Poesie hilft Worte finden

Als Mama brach mir auch ein wenig das Herz. Hoffe ich so sehr, dass meine Kinder mit mir reden. Mit mir dichten. Mir ihre Herzen ausschütten. Auch über die Liebe. Utopisch. Weiß ich es doch von meinen gebrochenen Herzen besser. Aber die Hoffnung halte ich fest. Zumindest sehe ich Chancen. Denn bei uns gibt es kaum Ungesagtes. Wir teilen Gedanken an Vergangenes und Zukünftiges, unsere Ängste und Wünsche. Alle mit allen. Ohne Altersbegrenzung. Wie sonst könnten wir uns verstehen? Poesie hilft Worte zu finden. Auch im Alltag. Vielleicht erstmal nur für uns. Wenn sie da sind, finden sie schon ihren Weg.

„freilaufende dichterinnen“ strotzt vor Ideen, die Poesie auf die Straße zu bringen. Ins Leben. In den Alltag und Unterricht. Ich hoffe, es erreicht viele mutige denker*innen – freilaufende, artgerecht festgehaltene, lebensraumnehmende!

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„Erden“ von Dóri Varga

Die zweisprachige Lyrik-Sammlung „Erden“ von Dóri Varga auf bretonischem Granit. In der Ferne sieht man das Meer.

„Dieser Körper
ist eine Abbildung jedes Atemzugs.
Dieser Körper
ist der Klang von Zuhause.“

Aus „Kenne mich“ (Seite 57)

„Erden“ versammelt feministische Poesie; unabhängig und selbstständig – frei. Dóri Varga widmet ihren Gedichtband hoffnungsvollen Frauen. Und Frauen sind immer (wieder) Thema ihrer 26 Gedichte, die in diesem wunderschönen Buch zusammen gefunden haben. Aus ihrer Lyrik quellen wilde, wirre, weibliche Gedanken verschiedener Phasen des Lebens und der Liebe.

Schutzumschlag-Rückseite der Poesiesammlung „Erden“ von Dóri Varga

„So I let my heart break
Make room
For loving you more.”

Aus „Pines and Qudhacs“ (Seite 46-53)

Die zweisprachige Lyriksammlung der Weltbürgerin Varga verführt zum Immerwiederdrinblättern. Dazu, die Wörter des Gelesenen im Kopf zu jonglieren. Sie schmelzend über Wunden zu gießen. Bröckelnd in Gedanken zu streuen. Sie inspiriert zu Eigensatzfragmentschöpfungen und schafft kreative Miniaturauszeiten.

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„Oben schwimmt die Sonne davon“ – wenn Gedanken den Worten hinterherwuseln

Oben schwimmt die Sonne davon: Gedichte für Kinder
Oben schwimmt die Sonne davon: Gedichte für Kinder

„Schau mich an, schau zu mir her!
Sei wieder nett! Ich bitt dich sehr!
Sonst flieg ich fort. Weit übers Meer.
Du siehts mich nie und nimmermehr.“

Seite 15

Ich weiß gar nicht warum es mich überraschte, dass meine Kinder Gedichte mögen. Vielleicht weil meine Poesie im Deutsch-Leistungskurs verkopfte; mir die Leichtigkeit verloren ging. Mir der Spaß an luftigen Reimen, Dada-Quatsch und fliegenden Gedanken durch Überinterpretationen abhandenkam. Umso schöner ist es, all das mit meinen Jungs wiederzuentdecken.

Der frische Sammelband „Oben schwimmt die Sonne davon“ mit über 100 Gedichten für Kinder von der deutschen Lyrikerin Elisabeth Borchers (1926 – 2013) ist uns dabei ein Quell des Entzückens. Nun ja, ganz so sphärisch betrachten Chef und Vizechef das nicht, doch lauschen sie ergriffen – oder zumindest aufmerksam – wenn ich aus dem (wunderschön in Halbleinen gebundenen) Buch rezitiere.

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