„Solange ich mich erinnern kann, ist die Welt manchmal zu laut, zu bunt, zu hell, zu schreiend. Nicht immer, aber ab und an. Dann fühlt sich jede Berührung falsch an, zu heiß, zu kalt, zu intensiv.“
Als Sarahs Tante Amalia stirbt, zieht das der jungen Frau den Boden unter den Füßen weg. Seit Kindertagen war die charakterstarke Frau nicht nur Elternersatz, verständnisvoller Beistand und warmherzige Mentorin. Durch sie lernte sie Bücher lieben. Fand ihren Traumberuf. Wurde Restauratorin für alte Karten und Folianten. Und jagte mit ihr als Bücherjägerin literarische Kostbarkeiten.
Nun – nach Amalias Tod – scheint alles zusammenzubrechen. Die Rechnungen stapeln sich. Sarah weiß nicht mehr weiter. Bis Benjamin Ballantyne in ihrem Leben auftaucht. Amila stellte dem Bibliothekar der Britischen Bibliothek den Fund eines außerordentlichen Schatzes in Aussicht: Den verschollenen Teil der Tabula Peutingeriana.
Gegen ihre menschenscheue und introvertierte Gewohnheit, lässt sich Sarah auf das Abenteuer ein. Und begibt sich mit dem (sehr gut aussehenden) Benjamin Ballantyne auf einen lebensverändernden Roadtrip.
„Ich bin nicht besonders gut mit Menschen, besonders nicht darin, ihre Gefühle zu lesen… Ich meine, dass Menschen zu kompliziert sind, und wenn alle einfach sagen würden, was sie meinen, anstatt alles immer so kompliziert wie möglich zu machen, hätte ich gar keine Probleme damit.“
Über den Tod, das Abschiednehmen und die Liebe
Ein Setting im Kölner Villenviertel Marienburg und eine nerdige Buchverliebte – ich war ein leichtes Opfer für „Die Bücherjägerin“. Wie könnte ich an einem Roman mit bücherliebenden Protagonisten vorbei gehen? Der die großen Fragen nach dem Umgang mit Verlust und Liebe stellt? Natürlich musste ich ihn lesen!
Tat ich mich erst schwer in die Komma-reichen Sätze einzufinden, genoss ich Sarahs Aufbruch sehr. Ihre Gedanken über den Tod, das Abschiednehmen, ihren Schmerz gingen mir nahe. Die Einblicke in ihre Entwicklung, in die gemeinsame Vergangenheit mit ihrer Tante und Schwester berührten mich. Ich verstand so Vieles zu gut.
Die französische Episode mit dem wundervollen Jean, der Amalia auf seine Weise so groß liebte – was fühlte ich mit. Was ging es mir zu Herzen. Überhaupt mochte ich die unterschiedlichen Arten der Liebe, die in dieser Geschichte Raum finden. Schließlich gibt es neben der romantischen Liebe noch weit mehr, genauso intensive Liebesverbindungen.
Anhäufung zeitgeistiger Problematiken
Doch leider verlor mich „Die Bücherjägerin“ auf der Überfahrt nach England in der 2. Hälfte des Romans. Plötzlich störte mich die Anhäufung zeitgeistiger Problematiken. Nervte die gezwungen wirkende Variation an Sprach- und Gesellschaftsdiversität. Die geballte Ladung Vielfältigkeit. Alles Themen, die ich wichtig und debattierwürdig finde. Die mich hier aber aus der Geschichte schmissen.
Die für mich nicht mehr rund lief. Zu viel Füllstoff enthielt. Zu langgezogen wurde. Auch stocherten die Protagonisten im Nebel. Fanden nur durch eine fallende Kuh zum Finale (so nannten wir beim Pen & Paper früher Handlungen, die durch einen „Deus ex machina“-Kniff erzwungen wurden).
Feierte ich den Debüt-Roman bis Seite 202 als eines meiner Jahres-Highlights, stürzte ich danach tief. So bleibe ich etwas ratlos zurück und weiß nicht recht, wem ich zum durchaus lesenswerten Werk raten soll. Am besten lest Ihr selbst mal rein.
Ich danke dem Dumont Verlag für mein kostenloses Rezensionsexemplar.
Titel: Die Bücherjägerin
Geschrieben von: Elisabeth Beer
Genre: Drama, zeitgenössische Literatur, Liebesroman
Themen: Liebe, Erwachsen werden, Ängste, Familie, Tod, Abschied, Leben
Format: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 432 Seiten
Verlag: Dumont
Erscheinungstermin: 15. August 2023
ISBN: 978-3-8321-6638-0
Preis: 23 €
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