Bei der letzten Frankfurter Buchmesse saß ich im Frankfurt Pavilion als Sebastian Guhr für seinen Roman „Die langen Arme“ den Blogbuster-Preis 2018 erhielt. Die Story klang interessant. Doch noch mehr weckte das Ungesagte meine Neugier. Dieses Schmunzeln um die Lippen von Autor und Blogbuster-Verantwortlichen. Dieses Schmunzeln hätte mich vorbereiten können. Dennoch stürzte ich kopfüber in den Kaninchenbau als ich Erzählerin Antje in ihre pataphysikalische Welt folgte.
Antje Gruentner lebt mit ihrer jüngeren Schwester Yvette und ihrem Vater am Stadtrand der DDR-Kleinstadt Gangolfsömmern. Zusammen mit der hochbegabten Synästhetikerin Yvette erfindet sie bizzare Pseudomaschinen. So produziert ihre Fleischblume (ein Apparat aus einem Leuchtglobus, einem Akkordeon, Schläuchen und … Katzenköpfen) Düfte in absoluter Reinheit.
Yvette geht in der Ausbildung ihres synästhetischen Talents auf. Die Erforschung des Swing nimmt sie komplett ein. Diese mächtige Geruchsmelodie soll die Körperzellen des Riechenden zum Schwingen bringen und so eine grundlegende Veränderung herbeiführen können.
Antje dagegen interessiert sich für Kommunikation. Für die Verbindungswege zwischen den Menschen – verbal, sensorisch, oberflächlich, unterirdisch. Ja, unterirdisch. Denn Antje entdeckt schlafwandelnd ein Tunnelsystem, das die Gebäude der Stadt wie ein Nervensystem durchzieht. Die Einzelgängerin kartografiert die Stadt, Ihre Bewohner, ihre Geheimnisse. Sortiert die Bürger in Oberflächliche und Untergründige. Verliert sich in ihrem psychologischen Forschungswahn.
Was für ein krasser Scheiß!
Man, oh man, oh man! Sebastian Guhr schickt den Leser in „Die langen Arme“ auf einen abstrus-abgefahrenen, kafkaesken Tripp! Was für ein krasser Scheiß! Und das meine ich als Kompliment. Ich habe lange nichts mehr derart anarchisch Abgedrehtes gelesen.
All das Psychologie-Geschwurbel, all das Untergründige gibt herrlich viel Spielraum für eigene verdrehte Gedanken und Interpretationen. Neben offensichtlicher Gesellschaftskritik findet so wahrscheinlich Jeder unterschiedliche Schwerpunkte. Unterschiedliche Deutungen. Der ein oder andere mag vielleicht gar eine Moral entdecken. Oder auch nicht. Kommt eventuell auch auf die Menge der beim Lesen konsumierten Mittel an… Ich aß z. B. reichlich Peperoniechips.
Ich danke Kein & Aber für mein kostenloses Leseexemplar, das ich nach der Verleihung des Blogbuster-Preises auf der Frankfurter Buchmesse 2019 ergatterte.
Titel: Die langen Arme
Geschrieben von: Sebastian Guhr
Genre: Roman, Deutsche Literatur, Groteske
Themen: Psychologie, DDR, Gesellschaftskritik, Philosophie, Individualismus
Format: Gebundenes Buch, 173 Seiten
Verlag: Kein & Aber
Erscheinungsdatum: 8. Oktober 2019
ISBN: 978-3-0369-5809-5
Preis: 17 €
„Die langen Arme“ beim Verlag: Besuch Kein & Aber
Interview mit Sebastian Guhr im Blog „Das Debüt“: „Die langen Arme“ von Sebastian Guhr auf der Shortlist des Blogbuster-Preises 2018
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