Ganz ehrlich? Als ich das Cover von Adam Silveras „Am Ende sterben wir sowieso“ am Arctis-Stand auf der Frankfurter Buchmesse erblickte, war es um mich geschehen. Diese beiden Gestalten, die durch die dunkle Stadt spazieren, den Todeschatten auf ihren Fersen – der Anblick fesselte mich. Doch nicht nur das Cover fesselt, auch die Geschichte.
Wir schreiben eine nahe Zukunft oder ähnliche Parallelwelt… wie auch immer: Der Wissenschaft ist es geglückt, für jeden Menschen den genauen Todestag berechnen zu können. Die Angestellten des Todesboten rufen zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens des entsprechenden Tages jeden Todgeweihten an, um ihn auf sein nahes Ende vorzubereiten. Wer den Anruf erhält, wird an diesem Tag sterben. Ausnahmen gibt es keine!
Der 18-jährige Mateo Torrez und der 17-jährige Rufus Emeterio bekommen kurz nach Mitternacht den Anruf, vor dem sich in ihrer Welt alle fürchten. Den beiden Jungen, die schon so viel verloren haben, verlieren heute ihr Leben. Über die App „Letzte Freunde“ lernen sie sich kennen und versuchen, gemeinsam das Beste aus ihrem letzten Tag zu machen. Sich von ihren Freunden zu verabschieden, ihre Familie loszulassen, mutig zu sein, sich ihren Ängsten zu stellen, etwas zu bewirken. Aus zwei Fremden werden Freunde. Werden Liebende.
Selbsterfüllende Prophezeiungen
„Am Ende sterben wir sowieso“ spielt mit einer spannenden Idee. Was wäre, wenn wir wüssten, dass heute unser letzter Tag wäre? Mit Mateo und Rufus begeben wir uns auf die Reise durch diesen letzten Tag. Sie erzählen abwechselnd von ihren Gefühlen, Ängsten, Hoffnungen, Wahrnehmungen. Zwischendurch erfährt der Leser von anderen Todgeweihten. Oder von Menschen, bei denen der Todesbote nicht angerufen hat. Unvermeidbar begann ich auch darüber nachzugrübeln, wie ich diesen Tag verbringen wollen würde. Und ich bin mir immer noch nicht sicher. Meine Vernunft sagt mir, ich sollte ihn genau so verbringen, wie ich es am Tag vorher geplant hatte. Alles andere würde doch nur zur Selbsterfüllenden Prophezeiung führen. Oder?
Leider habe ich Probleme mit solchen Szenarien. Mein Kopf schaltet einfach nicht ab. Immer wieder schreit mir meine Vernunft dazwischen, anstatt Geschriebenes einfach hinzunehmen. Aber: Silvera berührt diese Fragestellungen selbst hin und wieder. Ohne sie abschließend zu klären. Doch immerhin sind sich die Charaktere mehr oder weniger bewusst, dass sie eventuell nur sterben, weil sie wegen des Anrufes anders handeln als üblich.
„Am Ende sterben wir sowieso“ regt zum Nachdenken an. Nicht nur was das Sterben angeht. Adam Silvera beschreibt einen sehr wünschenswerten Mikrokosmos. Zwei Jungs, beide mehr oder weniger Waisen, beide mehr oder weniger bisexuell, beide mit mehr oder weniger starkem Migrationshintergrund; der eine ein schüchterner Einsiedler, der andere mutig und intuitiv. Sie finden sich. Verstehen sich. Verlieben sich. Ihre Freunde akzeptieren sie so, wie sie sind. Das ist großartig! Und vielleicht ist das viel utopischer als das Todesboten-Szenario. Auf jeden Fall ist es erstrebenswerter!
Titel: Am Ende sterben wir sowieso
Originaltitel: They Both Die at the End
Autor: Adam Silvera
Format: Gebundenes Buch, 336 Seiten
Preis: 18 €
Erscheinungsdatum: 21. September 2018
Verlag: Arctis (Atrium)
ISBN: 978-3-0388-0019-4
„Am Ende sterben wir sowieso“ bei Verlag: zum Buch
Das Kleingedruckte zu den weiterführenden Links:
Mit Klick auf den Link öffnet sich ein neues Fenster. Auf die Inhalte und die Umsetzung der Datenschutzrichtlinien dort, habe ich keinen Einfluss.