„Es ist sieben Uhr achtunddreißig, ich liege im Bett und bin noch nicht mal richtig wach, als mein Herz plötzlich und unvorhergesehen den ersten Satz seines Lebens sagt.“ (Seite 9) „Schade, das mit den Brüsten.“ (Seite 11)
Der erste Satz von Wandas Herz, fällt wohl in die Kategorie „unglücklicher Smalltalk“. Aber na ja, wo es recht hat… Wandas Brüste waren früher wirklich etwas knackiger. Mit 30 tauchen eben langsam die ersten Verfallserscheinungen auf.
Die Zeiten, in denen Wanda die Nächte durchtanzte, sind vorbei. Heute verbringt sie ihre Abende lieber Thaihuhn kochend und DVD schauend mit ihrem Freund. Seit drei Jahren ist sie schon mit Jonathan zusammen. Drei Jahre! Als diesem Kerl, der doch normalerweise ein so unglaubliches Gespür für gutes Timing besitzt, in einem Wortgefecht versehentlich ein Heiratsantrag rausrutscht, bricht Wanda in Panik aus.
Soll das jetzt alles gewesen sein? Nur noch Jonathan? Ab jetzt Nestbau und Familienplanung? Wie könnte das Leben mit anderen Männern aussehen? Was wäre, wenn sie noch mit einem ihrer Ex-Freunde zusammen wäre? Wanda kann sich nicht entscheiden und begibt sich mit ihrem Herzen auf die Suche nach den Männern ihrer Vergangenheit – und nach sich selbst.
Zu viele Möglichkeiten
Ich konnte das „Kuckucksmädchen“ Wanda sehr gut verstehen. Zu viele Berufe, zu viele mögliche Partner, zu viele Städte und so viel Leben, das gelebt werden will. Die Angst, etwas zu verpassen, wenn man die falsche Wahl trifft. Wie Wanda, die ihr Innenarchitekturstudium wegen eines Jobs als Wohnungsauflöserin vernachlässigte und schließlich abbrach, tändeln viele junge Menschen von Studium zu Studium, Nebenjob zu Nebenjob. Können sich ewig nicht festlegen.
Wie leicht war es doch für unsere Großeltern, denen nicht all diese Türen offen standen. Denen Entscheidungen von ihren Eltern, ihren Partnern oder den Umständen einfach abgenommen wurden. Auch Wandas Großeltern entschieden sich einmal für einander und blieben dann zusammen. Bis das der Tod sie schnell nacheinander holte. Und da Wohnungsauflösungen Wandas Beruf sind, schubste ihr Vater ihr die Aufgabe zu, die Hamburger Altbauwohnung seiner Eltern aufzulösen. Die Szenen in dieser erinnerungsschwangeren Wohnung gingen mir sehr ans Herz.
Kurzweilig unterhaltsam Lohmann lässt die unentschlossene, naiv und wenig „erwachsene“ (was immer dieses Wort bedeuten mag) Wanda locker, flockig und humorvoll von ihrer Suche nach dem Glück erzählen. Ob man „Kuckucksmädchen“ mag, liegt wohl hauptsächlich daran, wie sehr sich der Leser mit Wanda identifizieren kann. Mir gelang es ohne Probleme, hatte ich viele Ihrer Gedanken doch auch schon gedacht.
So bescherte mir der 176-seitige Roman für große Mädchen ein paar kurzweilige, unterhaltsame Lesestunden. Das Ende hätte für mich einen Satz früher eintreten und offener ausfallen dürfen. Dafür begeisterte mich Lohmanns Nachwort, das sogar ein wenig Gänsehaut hervorrief. Anständig gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen (!), empfinde ich auch den Preis von 16,99 € gerechtfertigt.
Fazit: Absolut empfehlenswert.