„Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“ von Sarah Michaela Orlovský

Frankfurter Buchmesse 2022: Am Stand des Tyrolia Verlags steht eine Frau versunken in ein Buch. Während ihr Tränen über die Wangen laufen, scheint sie vom Messetrubel mitzubekommen. Diese Frau war ich. Das Buch, das mich alles vergessen ließ, stelle ich Euch heute endlich vor.

Das Jugendbuch vor einer Kinderzimmertür „Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“ von Sarah Michaela Orlovský

„Barbara?
Hörst du mich?
Ich weiß, dass du nicht rauskommen willst. […]
Es ist nur…
Früher bis zu am Abend immer zu mir gekommen. […]
Du kannst so gut zuhören.
Es war immer ganz leicht, dir etwas zu erzählen.
Viel einfacher als bei Mama und Papa.“

Durch die Tür versucht sie, ihre große Schwester zu erreichen. Die sie so sehr liebt. Mit der sie so viel verbindet. Angstüberwindungen, Lückenschließungen und Einkaufwagenrennen. Lachen und Frohsein. Die ihr so viel voraus hat: Alter und Wissen und schlechte Entscheidungen.

Jede Seite des schmalen Büchlein schneidet mir ins Herz. Auch beim vierten Mal. Wahrscheinlich auch noch beim Zehnten. Zu nah fühle ich mich der kleinen Schwester. Zu sehr hoffe ich, dass mein Vize (7) nie so vor der Tür des Chefs (10) stehen wird. Und zu sehr hoffe ich, dass sich die Tür öffnet.

Doch die Tür bleibt zu. Egal wie oft ich es lesen. Aber mir bleibt die Hoffnung, dass die Worte Erfolg haben. Dass die kleine Schwester sich durch die Tür redet; durch harte Panzer über dünner Haut; durch Schutzschichten aus Kontrollzwang und Disziplin. Dass sie ihre Schwester erreicht. Da seiend. Hand reichend. Wärme schenkend.

Bestechend einfach und verstörend distanzlos

Rückseite des Jugendbuchs „Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“ von Sarah Michaela Orlovský

„Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“ erzählt bestechend einfach und verstörend distanzlos von den verheerenden Folgen einer Essstörung. Wie sich Magersucht ins Leben schleicht. Wie sie Betroffene, wie sie Familien zerstört. Welch Löcher sie reißt.

Es ist ein wichtiges, schreckliches, großartiges, schmerzendes Buch. An dem ich vielleicht allein die Altersempfehlung (ab 9) kritisch finde. Bisher drückte ich mich davor, es mit meinem Zehnjährigen zu lesen. Wobei ich gar nicht glaube, dass es ihn so mitnehmen würde wie mich. Vielleicht drücke ich mich gerade deshalb. Vielleicht befürchte ich, zu viel auf ihn zu projizieren, wenn wir es zusammenlesen. Oder zu sehen, dass es ihn nicht erreicht.

Heute gab ich ihm das Buch. Damit er es dann lesen kann, wenn ihm danach ist. Für sich. Oder mit mir. Ganz wie er es braucht und möchte.

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„Was du nicht erwartest“ von Jan Cole

Der Jugendroman „Was du nicht erwartest“ von Jan Cole

Ob dieses Gefühl wirklich Verliebtsein ist? Nik ist sich nicht sicher. Aber vielleicht ist er wirklich verliebt. Dem muss er auf den Grund gehen! Doch bevor der 17-Jährige mehr herausfinden kann, steckt ihn seine Mutter in eine Klinik. Denn Nik ist Autist und sie weiß nicht mehr weiter.

In der Psychiatrie lernt er die 18-jährige Mai kennen. Nach ihrem letzten Zusammenbruch landete sie vollkommen entkräftet auf der Station. Wo ihr geholfen werden soll. Was die Magersüchtige allerdings ganz anders sieht.

Zusammen gelingt den beiden die Flucht. Sie begeben sich auf einen waghalsigen Roadtrip. Mit im Gepäck: Niks kreativer Plan herauszufinden, ob er verliebt ist.

Flotte Erzählerweise und glaubwürdige Protagonisten

Rückseite des Jugendromans „Was du nicht erwartest“ von Jan Cole

„Ein faszinierender Held in einer Geschichte, die man nicht mehr weglegen kann. Ein einfühlsames, tolles Buch.“ Das sagt Benedict Wells über diesen eindrucksvollen Roman. Und wer bin ich, dem frisch gebackenen Sieger des Deutschen Jugendliteraturpreises („Preis der Jugendjury“) zu widersprechen? 😊

„Was du nicht erwartest“ brilliert mit einfallreicher (Rahmen-)Handlung, flotter Erzählerweise und glaubwürdigen Protagonisten. Mit Nik und Mai erzählen zwei Außenseiter ihre Geschichte. Zwei in ihrer Welt verstrickte Jugendliche. Behindert von ihrer Umgebung, den Herausforderungen des Menschseins und ihren ganz eigenen Besonderheiten. Oft nicht verstanden. Vieles nicht verstehend. Trotz allem weitermachend.

Jan Cole trifft den Ton seiner Charaktere bemerkenswert gut. Nik und Mai waren mir beim Lesen sehr nah. Ich konnte sie verstehen. Selbst, wenn ich ihre Handlungen nicht nachvollziehen konnte. Trotz aller Probleme, welche die beiden bewältigen müssen: „Was du nicht erwartest“ steckt voller Hoffnung. Vermittelt Mut und Zuversicht. Ein wahrlich großartiges Buch!

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