John Chu ist Anfang 20, Einzelkind und Supernerd. Als erfolgreicher Sherpa führt er seine Kunden durch MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games). Besonders aktiv ist er im Fantasy-Universum von „Call To Wizardry“.
Für den mysteriösen Mr. Jones sollen Chu und sein Team eine berühmte Persönlichkeit in die Welt der Online-Rollenspiele einführen. Egal was es kostet. Allerdings: Die Person soll anonym bleiben.
Seit es zwischen seiner (Online-)Freundin Darla und ihm krachte, läuft alles nicht mehr rund. Mr. Jones Angebot könnte viele Sorgen lösen. Also stürzt sich Chu mit seinem Team in den Auftrag. Doch der wird immer dubioser. Gefährlicher. Undurchsichtiger. Auch wird Hobbydetektiv Chu das Gefühl nicht los, dass seine Ex dahintersteckt. Oder Diktator Kim Jong-un…
Pseudokreative Nerd-Fantasien
Was hab ich mich auf das neue Buch von Matt Ruff gefreut! „Fool on the Hill“ mochte ich sehr. Für „Ich und die anderen“ verehre ich den Amerikaner gar. Auch „88 Namen“ klang vielversprechend.
Zwar bin ich nie mit MMORPGs warm geworden und spiele am liebsten für mich allein. Doch wenn ich einem Rollenspiel verfalle, dann bin ich schwer vom Controller zu bekommen. Ach, was habe ich schöne Stunden in Skyrim, New Vegas oder Baldurs Gate verbracht.
Von „88 Namen“ versprach ich mir einen spannenden Ausflug in virtuelle Spielwelten. Von Ruff clever inszeniert – skurril, hintergründig, tiefgründig. Bekommen habe ich pseudokreative Nerd-Fantasien, langatmiges Tech-Geschwafel und ein unbefriedigendes, schnelles Ende.
Insgesamt arg überladen
Auch wenn ich die Cybersex-Ideen ganz nett fand, wurden sie mir doch etwas zu sehr ausgewalzt. Wenn es wenigstens sexy oder anregend gewesen wäre… Aber ich fand es einfach langweilig. Genauso wie die Ausführungen zu Rassismus bei Charakterklassen. Oder ewige Hinweise auf Sexismus im Spiel. Spannend fand ich den Ableism-Aspekt, den Ruff durch Charakter Anja aufgreift.
Insgesamt erscheint mir das ganze Szenario arg überladen. Zu viele Themen und Probleme werden zusammen geschmissen. Spannung kam bei mir nicht auf. Eher schleppte ich mich von Länge zu Länge. Chu und sein Konterpart Darla nervten mich beide. Sympathisch fand ich allein die Nebencharaktere. Und die kamen allesamt zu kurz.
„88 Namen“ lässt mich enttäuscht zurück. Überhaupt: Warum eigentlich gerade 88? Im Buch fand ich keine Erklärung. Die Zahl ist nicht unbedingt positiv besetzt. Ich hoffe einfach mal, dass Autor und Verlag nicht absichtlich nationalsozialistisches Pack auf sich aufmerksam machen wollten…
Ich danke Fischer Tor für mein kostenloses Rezensionsexemplar.
Titel: 88 Namen
Geschrieben von: Matt Ruff
Übersetzt von: Alexandra Jordan
Genre: Roman, Science-Fiction, Techno-Thriller
Themen: Gaming, Online-Rollenspiele, Virtual Reality, virtuelle Realität
Format: Broschiert; 336 Seiten
Verlag: Fischer Tor
Erscheinungsdatum: 25. November 2020
ISBN: 978-3-5967-0093-6
Preis: 16,99 €
„88 Namen“ beim Verlag: Zum Buch
Deutschlandfunk Kultur: „Wenn Online-Rollenspiele schief gehen“ -> zur positiven Rezension
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